Rezension

Romeo und Julia müssen sterben

Wie man Dinge repariert - Martin Peichl

Wie man Dinge repariert
von Martin Peichl

Bewertet mit 5 Sternen

Was Peichls hier beschreibt, ist eine durch und durch destruktive Beziehung: zwei Menschen umkreisen sich wie Motten die offene Flamme. Sie lieben, sie zweifeln, sie wüten, sie verbrennen immer wieder aufs Neue – und und der Kreislauf beginnt von vorn.

„Ich will deine Herbstdepression sein, will deine Traurigkeit aus Schnapsgläsern trinken.“

Romantisch ist das nicht, manchmal wirkt es eher wie eine gegenseitige Geiselnahme. Stockholm-Syndrom ohne Opfer, ohne Täter.

„Dein Blick schreit Mord, meiner Totschlag.“

Sex ist ein häufiges Thema, da klingen ebenfalls beunruhigende, obsessive Untertöne mit. Die Beziehung, die Nicht-Beziehung ist zu krank für Sex, der einfach nur Sex ist und nicht Druckmittel oder Pfand.
Erzählt wird das in Fragmenten, kurzen Episoden, und das in einer bildstarken Sprache, die aufhorchen lässt: interessanter Rhythmus, großartiger Sprachklang, durch und durch #millenialspeak aber #poetisch.Da werden Aspekte immer nur kurz hell erleuchtet, bevor die Geschichte weiterzieht – immer wieder Sätze, die man festhalten will.

„Ich will das Wort ICH zerlegen, will die Einzelteile zum Uhrmacher tragen und fragen, was nicht stimmt mit mir, ihn fragen, warum ich so ticke, so laut, und wohin die Zeit verschwindet, wer die Zeit kaputt gemacht hat in mir drin.“

In dieser gestörten Beziehung steckt die Verlorenheit einer ganzen Generation. Sechsunddreißig Mal umreißt der Protagonist in kurzen Passagen den Beziehungsstatus, manchmal in einem einzigen prägnanten Satz – das hat was von Facebook-Poesie, er könnte einfach immer wieder schreiben: „Es ist kompliziert“.

Da möchte man druntersetzen: #liebereinendemitschrecken #lassgutsein #coabhängigkeit

Eigentlich geht es immer wieder um das Wollen: Zu der maroden Beziehungskiste kommt ein toter Vater, der IHM einen Wald hinterlassen hat, den er nicht will. Zu der maroden Beziehungskiste kommt das BIER, das immer getrunken werden will. Zu der maroden Beziehungskiste kommt der tote FREUND, der gar nichts mehr will.

Eigentlich geht es immer wieder um das, was nach dem Wollen übrig bleibt.

Eigentlich geht es iimmer wieder um die Absurditäten des Lebens.

„In Österreich gewinnt man Wahlen, indem man „Die EU kann mir mein knuspriges Schnitzel nicht verbieten“ plakatiert und es gibt Applaus für den MUTIGEN Politiker, der schreibt „in MEINEM Land erklärt mir niemand, wie ich mein Schnitzel panieren soll“, weil endlich traut sich einer, endlich sagt es jemand WIE ES IST.“

Einen klassischen Handlungsbogen hat das nicht, die Struktur wird immer aufs Neue gekonnt zerbrochen. Da muss man sich drauf einlassen, sonst funktioniert es nicht, sonst kann sich keine Spannung aufbauen.
Aber wenn man sich drauf einlässt, ist es in meinen Augen ein großartiges Buch.

Fazit

Ein Mittdreißiger schreibt poetisch über seine komplizierte Beziehung, den Tod, den Alkohol und die Vorliebe der Österreicher für Babykatzen und Schnitzel. Repariert wird hier gar nichts – dafür geht ganz viel kaputt. Das ist keine Erzählung von A bis Z, sondern eher #querdurchsknieinsauge.

#dasbrauchtkeinestruktur #dasgehtauchso

Die Sprache ist ganz großes Kino – da verzeiht man dem Buch auch die endlosen Beschreibungen einer Liebe, die schon lange nicht mehr gesund ist. Es breitet vor dem Leser das Panorama einer verlorenen Generation aus – vielleicht bin ich auch nur zu sehr Boomer, um Millenials zu verstehen.

Diese Rezension erschien zunächst auf meinem Buchblog:

https://wordpress.mikkaliest.de/rezension-martin-peichl-wie-man-dinge-re...