Rezension

Rote Kreuze

Rote Kreuze
von Sasha Filipenko

Bewertet mit 5 Sternen

Alexander hat in seinem recht jungen Leben schon mehr Schicksalsschläge erlebt als Andere. Um den Kopf ein wenig zu befreien zieht er nach Minsk und trifft dabei auf eine ganz besondere Nachbarin.

Tatjana Alexejewna ist mittlerweile einundneunzig Jahre alt, hat Alzheimer und bekritzelt die Türen ihrer Nachbarn mit roten Kreuzen - auch die von Alexander. 

Die beiden lernen sich auf besondere Art kennen und erzählen sich, nachdem sie einander vertrauen, ihre jeweilige Lebensgeschichte. 

Beide merken schnell trotz ihres Altersunterschiedes, dass sie mehr verbindet mit ihren Schicksalen als sie gefacht habe: ihre Herzen wurden gebrochen und ihre Seelen drohten zu brechen. 

Eine unerwartete Freundschaft zwischen beiden entsteht....

 

Sasha Filipenko wird momentan in der Literaturszene hochgelobt und auch das zurecht! Die Geschichte um Tatjana und Sasha liest sich so kalt, trocken und erschreckend, das ich oft schlucken musste. Filipenko zeigt ein Bild Russlands wie es nur ein Russe sehen kann. Tatjanas Geschichte ist zwar viele Jahrzehnte älter aber hat an Schrecken bis heute nichts verloren. Ihre Arbeit hat sie gezwungen aber zu sehen mit welchem Leid sie dabei verbunden war, beschäftigt sie bis kurz vor ihrem Tot. In ihrer Geschichte erfahren wir, wie Russland sich den eigenen Kriegsgefangen, den eigenen Leuten, verweigert hat. Sie wurden nicht mehr beachtet und galten als ein Nichts....das liest sich erstmal unvorstellbar aber es war leider blanke Realität damals. 

Sashas Geschichte ist moderner und auch unheimlich tragisch, aber Tatjana hört zu und will in seine Seele blicken. Filipenko gelingt dieses Gespräch der Generationen ganz wunderbar! Die beiden harmonieren und nichts wirkt dabei komisch oder gekünstelt. Seine Sprachweise und sein Schreibstil sind unheimlich flüssig und zum Teil wirklich humorvoll bis fast schon Sarkastisch schwarz. Humor in so eine ernste Geschichte zu bringen erfordert viel Fingerspitzengefühl und Filipenko hat das wunderbar geschafft. Ich habe noch nie so herzhaft über einen Nieser mit Rotz gelacht wie hier. Ja, Sie lesen richtig! Das Filipenko dann auch noch Alzheimer und Tatjanas Abschiedsgedanken so genial in die Geschichte gepackt hat, fand ich passend und gelungen. Man darf davor nicht die Augen verschließen - es kann jeden treffen von uns!

Filipenko spricht unheimlich viele Themen an, die gern als Tabu-Themen betrachtet werden. Er hat es perfekt geschafft darüber zu „sprechen“ und ich habe das Buch nur selten aus der Hand legen können. Ein weiteres Highlight ist das Cover: Eine Frau geht die Treppen empor und ihr Schatten ist ein Kreuz. Da kann man viele, sehr viele Gedanken dazu aufbringen wie z.B. der Tot ist einen auf den Fersen oder in jedem von uns schlummert der Tot....

 

Ein Buch das nachhallt und mich sehr, sehr gut unterhalten hat! Hier gibt es klare 5 von 5 Sterne!