Rezension

Rückblicke in die DDR-Zeit - Momentaufnahmen

Kastanienjahre - Anja Baumheier

Kastanienjahre
von Anja Baumheier

Bewertet mit 4 Sternen

** "Ja, das sind Windeln. Die sind aber nicht für dich, Mäuschen. Daraus werde ich ein paar hübsche Sommerkleider nähen." **
20 Jahre lebt Elise mittlerweile in Paris, ihrer zweiten Heimat und Tarek, der Cafebesitzer, nennt sie gern liebevoll "Überangepasste Flüchtlinge". Aufgewachsen ist sie nämlich in einem kleinen Dorf an der mecklenburgischen Ostsee, Peleroich und dorthin kehrt sie auch Hals über Kopf zurück, als sie erfährt, dass ihr Geburtsort dem Erdboden gleichgemacht werden soll.
Diese Reise weckt viele Erinnerungen an das Leben in der DDR, an die Restriktionen, den Unfalltod ihres Vaters und an ihre beiden besten Freunde Henning und Jakob, eine verhängnisvolle Dreiecksbeziehung, bis einer plötzlich verschwand....
Ihr Debut "Kranichland" hat mich restlos begeistert und dementsprechend hoch waren meine Erwartungen an "Kastanienjahre".

Anja Baumheier kann schreiben und die Erinnerungen an das damalige Leben und den ganz normalen Alltag wieder aufleben lassen. Das machen ihre Bücher aus - auch "Kastanienjahre".

Das Leben in dem kleinen Dörfchen mit einem überambitionierten Bürgermeister, der Peleroich zu einem sozialistischen Vorzeigedorf machen will, ist großartig beschrieben. Selbst wenn man nicht in der DDR aufgewachsen ist, bekommt man tiefe Einblicke in Sachen Berufswahl, Mangel an Konsumgütern, Spitzel und Fluchthelfer. Es ist so greifbar geschildert, dass man meint dabeigewesen zu sein.

Anja Baumheiers Schreibstil ist nicht anspruchsvoll, dafür umso ansprechender. Sie legt viel Wert auf die Alltagssituationen und verliert trotzdem ihre Charaktere manchmal ein bisschen aus den Augen. Sie bleiben für mich zu oberflächlich und mir fehlte ein wenig der Bezug zu ihnen. Vieles in ihrem Leben wird nur angerissen und man lernt die Personen nicht so richtig kennen, erlebt auch ihre Entwicklungen kaum mit. Es bleibt oftmals bei Momentaufnahmen und das macht den emotionalen Zugang nicht immer leicht. 
Mit "Kastanienjahre" konnte die Autorin mich nicht ganz so überzeugen wie mit "Kranichland" und dennoch habe ich es verschlungen. Ein lesenswertes Stück Zeitgeschichte.