Rezension

Rückständiges Frauenbild

Die Bücherfrauen -

Die Bücherfrauen
von Romalyn Tilghman

Bewertet mit 2.5 Sternen

Angelina Sprint muss sich entscheiden, entweder ihre Promotion abzuschließen und sich um eine Stelle als Bibliotheksdirektorin bewerben oder mit fast 40 Jahren endgültig ihr Studium zu beenden. Angelinas Promotionsthema sind die Bürgerinitiativen, in denen Frauen wie ihre Großmutter Amalia vor 100 Jahren  in abgelegenen Orten des ländlichen Kansas Bibliotheken organisierten. Selbst wenn z. B. die Carnegie-Stiftung Bibliotheksbauten finanzierte, mussten die Mittel für Unterhalt und Buchbestand meist von den Gemeinden finanziert werden. Angelina war als Kind von einem vorlesenden Vater und den Geschichten geprägt worden, die sie über ihre  Großmutter väterlicherseits hörte. Zitate aus Amandas Tagebuch wären ein würdiger Abschluss von Angelinas Arbeit, die an ihrer Uni längst nicht unumstritten ist. Eine Ablehnung ihrer Arbeit würde für Angelina der Diskriminierung des ganzen Landstrichs gleichkommen, den die akademische Welt als zu unbedeutend für die Kulturwissenschaften  etikettieren würde. Am Ende ihrer Recherchen sieht sie Carnegie, den Schutzheiligen der Bibliotheken, inzwischen weniger idealistisch, als man ihr als Kind vermittelte. Carnegies Mäzenatentum war nur eine Seite seiner Persönlichkeit, die andere zeigte ihn als knallharten Geschäftsmann, der Gewalt nicht scheute, um den Kampf um Arbeiterrechte im Keim zu ersticken.

Nach einem Wirbelsturm, der eine Kleinstadt samt ihrer Bibliothek in Schutt und Asche legte, treffen drei Frauen aufeinander, Amanda, die Nachfahrin einer couragierten Aktivistin, Traci aus New York, die sich in New Hope etwas zu blauäugig als Kunstpädagogin für ein Projekt beworben hat, und Gayle, die durch den kürzlichen Tornado im Nachbarort Haus und Existenz verloren hat.  Die Tornado-Opfer mussten untergebracht werden, so  dass Angelina kein Motelzimmer findet. Elena Morton nimmt die Besucherin auf. Sie ist selbst Bibliothekarin; in einer charakteristischen Szene stehen sich  zwei Frauen gegenüber, die in einem winzigen Moment gegenseitig ihre Stärken und Schwächen erkennen. Unter Tracis Leitung arbeiten nun die unterschiedlichsten Frauen zusammen, um zunächst durch Fundraising Tracis Gehalt zu verdienen und im nächsten Schritt ihren Ort im Wettkampf  um einen Bibliotheksbau voranzubringen.

Bücher, Bibliotheken und Buchmenschen als Romanthema garantieren normalerweise ein Wohlfühlbuch. Romalyn Tilghmans Ehrung der tatkräftigen Frauen von Kansas gelingt leider nur im Ansatz. Mit mehreren Icherzählerinnen samt ihren individuellen Lebensläufen und Sichtweisen auf die Provinz, drei Frauengenerationen und verschiedenen Zeitebenen finde ich den Plot für ein Wohlfühlbuch zu kompliziert. Auf welcher Zeitebene gerade erzählt wird, war mir nicht immer sofort klar. Den historischen Teil fand ich dagegen hochinteressant, der u. a. beleuchtet, ob engagierte Kulturpolitik die Landflucht aus der Provinz eindämmen könnte.

Ärgerlich finde ich hier den rückständigen Blick auf Frauen im Ehrenamt, ihre Reduzierung auf das Fundraising durch Häkeln, Quilten oder Kuchenbacken, das der couragierten Vorfahrin Amanda Sprint nicht gerecht wird. Eine Portion Selbstkritik am Ende ihre Projekts hätte Romalyn Tilghmans Aktivistinnen nicht geschadet. Zu gern  hätte ich ihre Ansicht darüber erfahren, dass Kultur und Bibliotheken in der Gegenwart noch immer zu einem Nice-to-Have degradiert werden, anstatt beides als Menschenrecht auf Bildung zu begreifen, und dass sie selbst diese rückständige Einstellung idealisieren und stützen.