Rezension

Rührende, ernsthafte Comming-of-Age-Geschichte

Sag den Wölfen, ich bin zu Hause
von Carol Rifka Brunt

Bewertet mit 4 Sternen

"Sag den Wölfen ich bin zu Hause" spielt Ende der 80er Jahre, als Aids relativ neu und angsteinflößend war. Es herrschte eine riesige Unsicherheit bezüglich der Krankheit und sie endete unausweichlich mit dem Tod. Auch Junes Onkel Finn ist der Krankheit erlegen und das Mädchen ist untröstlich. War Finn doch ihr bester Freund und engster Vertrauter. Zur Trauer um seinen Verlust kommt dann noch der Schmerz hinzu zu erfahren, dass er einen Partner hatte, von dem sie all die Jahre nichts wusste. Warum hat er sie angelogen? Und wer ist dieser Mann, mit dem ihr Onkel sein Leben teilte?

June ist niedlich in ihrer Mischung aus Naivität und Ernsthaftigkeit. Sie ist eine Außenseiterin, sehr nachdenklich aber herzensgut. Ihre Geschichte trieb mir mehrmals Tränen in die Augen und ist doch stellenweise lustig und einfach schön. Die ca. 440 Seiten lesen sich erstaunlich schnell. Man merkt dem Buch seinen Umfang nicht an.

Finn wirkt tatsächlich wie der perfekte Mensch: Ruhig, ausgeglichen, kreativ und lustig. Kultiviert, erfolgreich und liebevoll. Zwar lernen wir ihn hauptsächlich aus Junes Erzählungen kennen, aber im Gegenssatz zu Junes eher unperfekter restlicher Familie wirkt er fast schon wie eine Lichtgestalt. Erstaunlicherweise fand ich aber die Beziehung der beiden Schwestern June und Greta zueinander am spannendsten. Davon hätte ich gerne noch mehr gelesen. Wie beide sich an ihre Kinderspiele erinnern, sich verletzen und versuchen wieder zueinander zu finden. „Wir waren Waisen zusammen.“ war für mich einer der schönsten Sätze des Buches.

Einzig hätte ich mir gewünscht, dass die Figuren öfter mal richtig miteinander reden. Egal ob June mit Toby zusammen ist, mit ihrer Schwester oder ihren Eltern; es bleibt so viel essentielles unausgesprochen, was man mit einer beherzten Frage oder Erklärung einfach hätte aus der Welt schaffen können. Das hat mich im Laufe der Geschichte etwas gestört.

"Sag den Wölfen ich bin zu Hause" ist eine zarte Geschichte über das Erwachsenwerden, über Liebe, Trauer und Familie, in die Brunt das Thema Aids gekonnt eingeflochten hat. Es ist schmerzhaft zu lesen, wie man mit den Kranken umging aber es bleibt alles in einem für ein Jugendbuch angemessenem Rahmen. Wer eine rührende, ernsthafte Comming-of-Age-Geschichte sucht, die sich angenehm lesen lässt und dazu noch berührt, der ist hier goldrichtig.