Rezension

Ruhig und einfühlsam

Kostbare Tage
von Kent Haruf

Bewertet mit 5 Sternen

Erneut entführt Kent Haruf seine Leserschaft in die fiktive amerikanischer Kleinstadt Holt. Dad Lewis ist schwer an Lungenkrebs erkrankt und wird den Sommer nicht mehr überleben. Doch nicht nur seine Geschichte, sondern auch die der Bewohner in der Nachbarschaft werden in diesem ruhigen Buch geschildert.

Wer einmal einen sterbenden Menschen begleitet hat, wird sich besonders gut in die Geschichte einfühlen können. Dad hat seine liebende Frau Mary und Tochter Lorraine um sich und man bekommt Gelegenheit den Geschäftsmann, Vater und Mann mit seiner ruhigen, aber auch bestimmenden und konservativen Art heute und in der Vergangenheit kennenzulernen. Dieses Zeitsprünge sind sehr gelungen und zwischendurch erfährt man auch von anderen Bewohnern Holts, sodass ich das Buch kaum mehr weglegen wollte.

Überhaupt sind in der Kleinstadt gewisse Dinge, wie in jeder Kleinstadt. Wer sich nicht an die Regeln hält, bekommt es zu spüren. Pfarrer Lyle spürt dies am Leib und auch in seiner Familie hat er einige Probleme zu bewältigen. Doch das Leben in einer solchen Gemeinschaft hat auch seine positiven Seiten, wie die achtjährige Alice bemerkt, die nach dem Tod ihrer Mutter bei ihrer Großmutter lebt und von vielen Einwohnern unterstützt wird.

Ich kann nicht mal wirklich sagen, wie Haruf es schaffte mich so zu fesseln, aber es ist ihm auf ganzer Linie gelungen. Vielleicht liegt es daran, dass ich die Stadt quasi vor meinen Augen hatte und die Charaktere – so unterschiedlich sie auch waren- nahbar und facettenreich geschildert wurden. Dazu sind die meisten auch sehr sympathisch und stehen füreinander ein. Der ruhige Schreibstil ist anrührend ohne kitschig zu sein und warmherzig, aber nie anbiedern. Echte Überraschungen gibt es nur selten und trotzdem werden sehr viele gesellschaftlichen Themen angeschnitten, von prekären Familienverhältnissen, über Suizid und Diebstahl. Hier hat jeder sein Päckchen zu tragen…

Ich kann das ruhige und einfühlsame Buch nur empfehlen. Man muss auch die anderen Bücher nicht kennen, um dieses hier zu mögen.