Rezension

Ruhiger, beharrlicher Ermittler

Wisting und der Tag der Vermissten - Jørn Lier Horst

Wisting und der Tag der Vermissten
von Jørn Lier Horst

Bewertet mit 5 Sternen

Der Untertitel ,,Cold Cases“ stellt schon heraus, worum es geht. Ein alter Fall, der nie aufgeklärt werden konnte, lässt Hauptkommissar William Wisting, Ermittlungsleiter bei der Polizeidirektion im norwegischen Larvik, keine Ruhe. Er hat sogar die Akten des Falles mit nach Hause genommen, da sich außer ihm sowieso niemand mehr für den Fall der vor 24 Jahren verschwundenen Katharina Haugen interessiert. Jedes Jahr am Jahrestag ihres Verschwindens vertieft er sich erneut in die Akten, in der Hoffnung, auf irgendein neues Detail zu stoßen. Außerdem trifft er jedes Jahr Martin Haugen, den Ehemann der Vermissten, zu dem er inzwischen ein vertrautes, fast schon freundschaftliches Verhältnis aufgebaut hat. Doch dieses Jahr ist Martin Haugen am Jahrestag verschwunden und auch auf dem Handy nicht erreichbar. William Wisting, der trotz des guten Verhältnisses den Ehemann immer auch als Verdächtigen gesehen hat, ist beunruhigt.

Zudem kommt Adrian Stiller, ein Ermittler der Cold-Case-Unit in Oslo nach Larvik gereist. Offenbar wurden Martin Haugens Fingerabdrücke im Zusammenhang mit einem anderen Fall mithilfe moderner Technik gefunden.

Wisting als ,,den besten Kommissar Norwegens“ anzupreisen, halte ich für etwas vermessen. Immerhin gibt es da gewaltige Konkurrenz. Allerdings kann William Wisting durch seine ruhige, aber beharrliche Vorgehensweise überzeugen. Er hat ein einigermaßen intaktes Familienleben, wirkt eher nachdenklich und introvertiert, dennoch aber immer sympathisch auf den Leser. So sind es auch nicht actiongeladene Szenen, die Spannung und Gänsehaut vermitteln, sondern z.B. eher die vordergründig ruhigen Szenen, in denen William Wisting sich mit einem Verdächtigen in einer einsam gelegenen Hütte befindet, jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird und man als Leser nicht weiß, in welche Richtung die Situation plötzlich umschlagen wird.

Neben Wisting ist auch Adrian Stiller eine interessante Figur. Er spielt offenbar nicht mit offenen Karten, bezieht Wistings Tochter Line als Journalistin mit ein, was zwischen Vater und Tochter zu Geheimniskrämerei, aber auch erstaunlich parallelen Erkenntnissen führt. Über Stillers Vorgeschichte erfährt man nur einzelne Andeutungen, sodass man auf den schon angekündigten nächsten Fall sehr gespannt sein darf.