Rezension

Ruhiger, romantischer Fantasy-Liebesroman, leider fehlt über weite Strecken Spannung

Bird and Sword - Amy Harmon

Bird and Sword
von Amy Harmon

„Bird & Sword“ ist ein ruhiger, romantischer Fantasy-Liebesroman, der in einer faszinierenden, magischen Welt spielt, die über weite Stellen leider nur ein Rahmen mit viel Potential bleibt. Die Hauptfigur ist sympathisch und überzeugt ebenso wie die meisten Nebenfiguren. Ein großes Problem hatte ich mit der fehlenden Spannung in der zweiten Hälfte des Buches, die leider zu einem langatmigen, zähen Leseerlebnis führte.

Inhalt

In ihrer Kindheit wurde Larks Mutter vor ihren Augen von König Zoltev getötet – für das Verbrechen der Magie, das eigentlich Lark begangen hat. Mit ihrer letzten Kraft nimmt sie Lark ihre Gabe der Worte. Dreizehn Jahre später kommt der Sohn des damaligen Königs, nun selbst auf dem Thron, auf den Hof von Larks Vater. Weil dieser keine Männer als Unterstützung im Krieg gegen Vogelwesen geschickt hat, nimmt er Lark kurz entschlossen als Geisel mit sich. Zu Beginn fürchtet sich die stumme Lark noch vor ihm, doch je näher sie ihn kennenlernt, desto klarer wird ihr, dass der König seine ganz eigenen Geheimnisse und Probleme hat…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #1 der „Bird&Sword-Reihe“, Band #2 erscheint im Juli 2018
Erzählweise: Ich-Erzählerin, Präteritum
Perspektive: aus weiblicher Perspektive
Kapitellänge: meist ca. 10 Seiten
Tiere im Buch: Es werden im Buch Tiere im Krieg verletzt und getötet, darunter viele Pferde, auch vogelähnliche Wesen. Es werden keine Tiere gequält.

Warum dieses Buch?

Der Klappentext klang so spannend und magisch, dass ich das Buch unbedingt lesen wollte. Die begeisterten Bewertungen, die es auf englischen Buchcommunitys schon gab, haben meine Erwartungen noch erhöht.

Zitat

„Ich kann keine Worte bilden. […] Aber ich kann sie hören. Die Welt ist voller Worte, sie lebt dadurch. Die Tiere, Bäume, das Gras und die Vögel unterhalten sich mit ihren eigenen Worten.
‚Leben‘, sagen sie.
‚Luft‘, hauchen sie.
‚Hitze‘, summen sie. Die Vögel rufen ‚Fliegen,fliegen!‘ und die Blätter winken sie voran, entfalten sich und flüstern: ‚Wachsen, wachsen‘.“ Seite 19

Meine Meinung

Einstieg (+)

Der Einstieg gelingt leicht. Man begleitet Lark und ihre Mutter an jenem schicksalhaften Tag, der Larks Leben für immer verändern wird. Sofort ist man fasziniert von dem kleinen Mädchen, das unglaubliche magische Kräfte besitzt. Der Tod der Mutter schockiert, man möchte sofort weiterlesen.

Schreibstil (+)

Den Schreibstil der Autorin würde ich als blumig, detailliert und märchenhaft beschreiben. Für einen Fantasyroman und auch um das Empfinden der stummen Lark zu beschreiben, ist der Schreibstil perfekt gewählt, ich mochte die anschauliche, unaufgeregte Erzählweise mit dem Blick fürs Detail sehr. Gefühle werden ebenfalls sehr einfühlsam und überzeugend transportiert und geschildert.

Hauptfigur (+)

Lark ist eine Hauptfigur, die ich von Beginn an mochte. Nach meiner letzten Lektüre bin ich umso froher gewesen, dass es sich hier um eine junge Frau handelt, die sich durch Feinfühligkeit, ein sensibles Wesen und viel Empathie, besonders auch für Tiere, auszeichnet. Ich habe Larks Entwicklung von einem unsicheren, stillen Mädchen, das vom egoistischen Vater eingesperrt wird, um sich selbst vor dem Fluch der Mutter zu schützen, zu einer selbstbewussten jungen Frau sehr überzeugend gefunden. Sehr gut gefallen hat mir außerdem, wie authentisch Larks stumme Kommunikation im Buch beschrieben wird. Ich fand es faszinierend, wie ihr auch ohne eine Stimme und ohne eine Art von Gebärdensprache Kommunikation mit anderen Menschen gelingt.

Nebenfiguren (+/-)

Die Nebenfiguren konnten mich, von einigen blassen Ausnahmen abgesehen, überzeugen - auch wenn es schade ist, dass nur so wenige eine größere Rolle im Buch einnehmen. Sie haben eigene Schwächen und Stärken, manche von ihnen besitzen auch unerwartete Geheimnisse. Das hat mir gefallen. Eine besondere Schwäche habe ich für Kjell, den engsten Vertrauten des Königs. Der Charakter mit harter Schale, aber unerschütterlicher Liebe und Loyalität zu seinem Freund Tiras konnte mich sofort für sich gewinnen. Das ist auch der Grund, warum ich mir trotz meiner Kritikpunkte durchaus vorstellen kann, den zweiten Band zu lesen: Er wird von Kjell handeln, für mich ein großer Leseanreiz.

Idee & Themen (+/-)

Es ist keineswegs eine neue Idee, jemanden entführen zu lassen und diese Situation dann für ein Entwickeln von Verliebtheit zu nutzen. Dennoch hat diese Situation durchaus ihren Charme, weil so natürlich erst einmal negative Gefühle und Meinungen gegenseitig abgebaut werden müssen, was zu interessanten psychologischen Aspekten führt. Amy Harmon weiß diese Ausgangslage zu nutzen und drapiert um die zentrale Liebesgeschichte ein gut gelungenes Fantasygerüst. Leider bleibt die erfundene Welt, die so viele gute Ansätze und riesiges Potential beinhält, auch über weite Stellen genau das: ein Gerüst, das eine Liebesgeschichte stützen und ihr etwas mehr Tiefe verleihen soll. Viel Potential des faszinierenden Weltentwurfes bleibt daher leider ungenutzt, dabei hätte ich so gerne noch mehr über das Königreich erfahren.

Die angesprochenen Themen weisen teilweise überraschende Tiefe auf: Es geht um den Wunsch eines Kindes, von den Eltern geliebt zu werden und sie zu beindrucken, um Abgrenzung von familiären Vorstellungen und Werten, um das Treffen von schwierigen Entscheidungen, um Liebe, Vertrauen, Loyalität und das Gewicht von Geheimnissen, die um jeden Preis verborgen bleiben müssen. Mir gefällt außerdem, dass Larks magisches Talent als Metapher für die reale Macht der Worte gelten kann. Denn auch in unserem nichtmagischen Alltag sind Wörter kraftvoll: Sie können liebkosen, schmeicheln, beeindrucken, aber auch zerstören und sogar töten.

Atmosphäre (+)

Über weite Strecken herrscht eine sehr ruhige, märchenhafte, unaufgeregte Grundstimmung im Buch. Das Aufbauen der Zuneigung zwischen Lark und Tiras steht im Vordergrund. Natürlich sind auch actionlastige Abschnitte vorhanden, in denen eine bedrohliche Atmosphäre entsteht.

Spannung (-!)

Mein größter Kritikpunkt bei dieser Geschichte ist leider der Spannungsaspekt. Zu Beginn sind Neugier und Interesse groß: Man entdeckt gespannt die phantastische Welt und fiebert mit Lark mit. Spätestens ab der Hälfte jedoch kommt es zu einem signifikanten Spannungseinbruch. Die Figuren und die Sprache überzeugen zwar und es gibt auch so manche unerwartete Enthüllung, jedoch fühlte sich das Lesen oft unheimlich zäh an, ich musste mich oft regelrecht zwingen weiterzulesen. Immer wieder verspürte ich den Drang, die Seiten bis zum Schluss nur zu überfliegen. Hierfür ziehe ich auch einen Stern ab.

Liebesgeschichte (+)

Da die Liebesgeschichte derart im Zentrum des Buches steht, ist es gut, dass sie sehr überzeugend ist. Die Zuneigung von Lark und Tiras wächst langsam, die Liebe wird glaubwürdig beschrieben und kommt auch bei den LeserInnen an. Die Chemie zwischen den beiden Verliebten ist vorhanden, regelmäßig stellen sich beim Lesen ein hingerissenes Lächeln und ein nervöses Prickeln ein, weil man so mitfühlt. Hin und wieder gibt es auch süße, romantische Momente. Tiras als Love Interest fand ich sympathisch – ein Mann, der zwar stark, aber auch intelligent ist und der Gefühle zeigt. Die Kritik, die in anderen Rezensionen adressiert wurde, dass Tiras Lark manchmal nicht angemessen behandle und versuche, über sie zu bestimmen, kann ich nicht wirklich teilen. Ich habe das nicht als so schlimm empfunden – zum einen, weil Lark sich zunehmend weniger gefallen lässt und weil ihre Meinung zu wichtigen Entscheidungen von Tiras ernst genommen und häufig auch berücksichtigt wird. Zum anderen, weil ich nicht das Gefühl hatte, dass Tiras manche Aussagen wirklich ernst meint. Auf mich wirkte es eher, als würde er Lark manchmal einfach herausfordern wollen.

Mein Fazit

„Bird & Sword“ ist ein ruhiger, romantischer Fantasy-Liebesroman, der in einer faszinierenden, magischen Welt spielt, die über weite Stellen leider nur ein Rahmen mit viel Potential bleibt. Die Hauptfigur ist sympathisch und überzeugt ebenso wie die dreidimensionalen Nebenfiguren. Ein großes Problem hatte ich mit der fehlenden Spannung in der zweiten Hälfte des Buches, die leider zu einem langatmigen, zähen Leseerlebnis führte.

Empfehlung: All jene, denen eine überzeugende Liebesgeschichte wichtiger ist als durchgehende Spannung und eine detailliert beschriebene Fantasywelt, werden mit diesem Buch sicher ihre Freude haben!

Bewertung

Idee: 4 Sterne
Ausführung: 3,5 Sterne
Schreibstil: 5 Sterne
Personen: 3,5 Sterne
Hauptperson: 5 Sterne
Spannung: 1,5 Sterne
Liebesgeschichte: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 3,5 Sterne

Insgesamt:

❀❀❀

Dieses Buch erhält von mir aufgrund der fehlenden Spannung drei Lilien!

Vielen Dank an dieser Stelle dem LYX Verlag für das Rezensionsexemplar!