Rezension

ruhiger sehr gut gemachter Kriminalroman

Wisting und der Tag der Vermissten - Jørn Lier Horst

Wisting und der Tag der Vermissten
von Jørn Lier Horst

Bewertet mit 5 Sternen

Das Cover ist nicht so meins. Anfangs dachte ich, es passt zumindest gut zum Buch, da Wasser, Schnee und Eis sinnbildlich sind für einen Norwegen-Krimi. Im Nachhinein finde ich es eher irreführend, da Schnee und Eis keine Rolle spielten und Wasser meist nur durch Regen repräsentiert wurde. Allerdings muss ich zugeben, dass das Cover gut zur neuen Reihe "Cold Cases: Der beste Kommissar Norwegens ermittelt" passt, denn Schnee und Eis stehen für die "cold cases" und Kommissar Wisting (orange Schrift in Prägetechnik) bringt diese zum Schmelzen (= löst diese).

"Wisting und der Tag der Vermissten" ist mein erstes Buch der Reihe um Kommissar Wisting und auch das erste von Jørn Lier Horst. Ich mag skandinavische Krimis, da sie eine andere Erzählweise haben. Die Entdeckung dieser Reihe war für mich ein Volltreffer. Ich werde sicher alle weiteren Bände lesen, und soweit verfügbar auch die Vorgängerreihe um Kommissar Wisting.
Das Buch ist in 88 kurze Kapitel aufgeteilt, was das Lesen und auch das Weiterlesen erleichtert. Der Schreibstil ist angenehm und liest sich sehr flüssig. Der Roman wird von einem Erzähler in der dritten Person geschildert, der Leser begleitet Kommissar Wisting bei seinen Ermittlungen. Ganz im Gegensatz zu anderen fiktiven skandinavischen Kommissaren ist Kommissar Wisting ein durch und durch normaler und sympathischer Mensch. Die Passagen über ihn und seine Familie sind geprägt von Wärme und Zuneigung. Am besten gefällt mir Wisting mit seiner Enkelin, aber auch das Verhältnis zu seinen Kindern ist sehr gut beschrieben. Für den Leser ist es folglich erfreulich, Kommissar Wisting bei seiner Ermittlungsarbeit zu begleiten. Auch die anderen Figuren im Roman sind individuell und gut gezeichnet.

Der Roman kommt gänzlich ohne Gewalt oder blutrünstige Beschreibungen aus. Es handelt sich um keinen Thriller, sondern hauptsächlich um Ermittlungsarbeit. Mir gefallen diese Art von Kriminalromanen grundsätzlich sehr gut, hier passt es auch ideal zum Buch, da es sich um ungelöste Fälle der Vergangenheit handelt und keine Eile geboten ist. Wie Kommissar Wisting selbst auch, geht der Leser daher die Ermittlungsakten mehrmals mit durch. Wenn man aufmerksam ist, ist dies aber keine bloße Wiederholung, sondern es ergeben sich schon kleine Hinweise. Ich konnte mir durch die genauen Schilderungen alles sehr gut vorstellen und es kam mir so vor, als wäre ich dabei gewesen. Trotz der ruhigen Erzählweise und der Tatsache, dass nicht viel Aufregendes passiert, ist der Roman spannend. Es stellt sich die Frage, ob der Fall aufgeklärt wird und wenn ja, was genau passiert ist und warum. Interessant und spannend fand ich aber auch andere Situationen und Begebenheiten, die sich im Laufe des Romans ergaben (und aufklärten). Am besten gefallen hat mir die Beschreibung des Spannungsverhältnisses zwischen altem und jungem Ermittler und den unterschiedlichen Herangehensweisen. Für mich persönlich was das Ende natürlich wichtig und spannend, aber am interessantesten war für mich der Weg dorthin. Dies ist auch gleichzeitig mein Fazit:

"Wisting und der Tag der Vermissten" ist das ideale Buch für Leser, die keinen actiongeladenen Thriller erwarten, sondern sich für den Weg zur Lösung und die Charaktere interessieren. Ich bin auf jeden Fall sehr glücklich über meine Neuentdeckung und warte bereits gespannt auf die Fortsetzung.