Rezension

Ruhrpott-Tristesse

Als wir Schwäne waren -

Als wir Schwäne waren
von Behzad Karim Khani

Bewertet mit 5 Sternen

„Als wir Schwäne waren“ ist ein Buch, das einen in seinen Bann zieht. Behzad Karim Khani beschreibt Kindheit und Jugend eines pakistanischen Migranten im Ruhrpott. Es ist die Geschichte von einem, der in einer Plattenbausiedlung lebt und weiß, dass er unten ist und der Weg nach oben erst einmal versperrt ist. Oder im Stil von Khani gesagt:

Unser Viertel zerreibt seine Bewohner. Alles ist stumpf hier. Wir alle leben in einem Abnutzungskrieg mit so vielen Fronten, wie unsere Siedlung Einwohner hat.

Am Anfang des Buches steht die Fremdheit, die Reza wahrnimmt, im Zentrum. Dazu gehört, dass man in Deutschland bei Grün über die Fußgängerampel geht – wobei sich die Eltern strikt weigern, die Fußgängerampel zu drücken.

Im zweiten Teil des Buches steht Reza selbst, der Ich-Erzähler, im Vordergrund. Man erfährt, was es heißt, in einer Plattenbausiedlung in Bochum zu leben und wer es schafft, den Stadtteil zu verlassen. Es ist ein Leben am Rand der Gesellschaft und nur wenigen gelingt der Absprung. Den meisten geht es darum, sich (einigermaßen) zu behaupten.

Sein Vorgehen beim Schreiben schildert Khani im Roman selbst:

Wir verdichten und vereinfachen, damit die Dinge Sinn machen, und weil Sinn eine Geschichte braucht, setzen wir Punkte in das Chaos, die wir zu Linien verbinden. Linien, die Geschichten ergeben.

Zu dem, was verdichtet ist, gehört der Konflikt mit dem Vater, der sich immer mehr zurückzieht. Die Verkapselung des Vaters zieht sich durch das ganze Buch. Und das, wo er doch einen hohen Bildungsanspruch hat und etwas mit dem Wahrig-Wörterbuch in den Urlaub fährt.

Zu dem, was weggelassen ist, gehört die Schule. Nur am Rande erfährt man, dass die Jugendlichen in die Schule gehen und Reza gerade so sein Abitur schafft. Dass der Erzähler noch Schüler ist während er Drogen vertickt, hätte man nicht vermutet.

Ob Schwäne Zugvögel sind, ist Thema in dem Roman. Die Antwort bleibt offen, wie es auch offen bleibt, wem es gelingt, den Stadtteil zu verlassen. Der Erzähler hat es sich auf jeden Fall vorgenommen, Deutschland zu verlassen. Schreiben will er aber weiterhin auf Deutsch. Für ihn ist das ein Happy End.