Rezension

*+* Russell Wangersky: "WALT" *+*

Walt - Russell Wangersky

Walt
von Russell Wangersky

Meine Besprechung zu "WALT" von Russell Wangersky, sie ist im Original auf meinem LitBlog erschienen.

„Nach dieser Lektüre werfen Sie Ihren Einkaufszettel garantiert nicht mehr achtlos weg!“,
verspricht der Rückentext des Buches.

Das ist jedoch ein Versprechen, das ich nicht einhalten werde. Und das, obwohl ich weiß, wie es einigen der Kunden, die ihre Liste für die Allgemeinheit zugänglich entsorgt haben, anschließend ergangen ist.

Zugegebenermaßen klingt der Klappentext wirklich sehr spannend und passt daher gut zur Bezeichnung Psychothriller der Geschichte. Der Inhalt des Buch hingegen war eher ein Wirrungsroman mit einigen Spannungs-Inselchen, um meine Lese-Empfindungen kurz und knapp wiederzugeben.

„Er“ hat einen Narren an Alisha gefressen. Er ist WALT und berichtet in der Ich-Form, was den Schilderungen eine gewisse Nähe verleiht. Wer genau WALT aber ist, wie er tickt, wo und wie er arbeitet, welche hellen und dunklen Geheimnisse in seinen Tiefen verborgen liegen, das alles erfährt der Leser nach und nach aus den teils sehr wirren und sprunghaften Gedankengängen des Mannes. So fragte ich mich immer wieder, ob das, was er erzählt, wirklich wahr ist, oder nur seiner großen Einsamkeit und dem großen Bedürfnis nach menschlicher Nähe geschuldet sein könnte.

Bis zum Schluss bleibt mir die Figur des WALT nebulös und nicht greifbar. Immer mehr Mitleid als Angst und Ekel empfinde ich für ihn während des Lesens. Die Schilderungen seiner Rückblicke ergeben eher ein verworrenes Bild in das Innerste eines zutiefst einsamen, kranken Menschen. Leider wirkte sich dies zumindest bei mir sehr spannungsmindernd aus.

WALT interessieren alle Einkaufszettel, die er findet und eingehend studiert. Bei manchen erscheint ihm das Bild des Schreibers aber so intensiv und interessant, dass er einen übergroßen Interessenswahn für diese Person entwickelt….
Wir dürfen neben WALTs erzählenden Passagen auch zwischendurch immer wieder einen Blick in die Tagebucheinträge Alishas werfen, der Frau, die aktuell stark im Fokus des Stalkers steht. Diese Einwürfe werfen zumindest kleinere Spannungs-Spots in das Buch, das ansonsten eher farblos bleibt.

Diese Frau ist nicht das erste Objekt der Begierde der Hauptfigur. Zudem hat es in der Vergangenheit einige Todesfälleim Dunstkreis WALTs gegeben, aber hat er etwas damit zu tun? Ist er nur zufällig in den Fokus geraten, oder will ihm da gar jemand etwas in die Schuhe schieben? Die Polizei ermittelt und auch hier wird ebenso wie in WALTs Erzählparts sehr an einem spannenden Stil gespart, was schade ist. Denn eigentlich wohnt dem Grundgerüst des Thrillers so einiges an Schnappatmungs-Potential inne, das leider überwiegend nicht genutzt wird.

Soweit zu meiner eigenen Meinung. Wer jedoch undurchsichtige Gechichten mag, die von nebulösen Gestalten getragen werden, und gerne miträtselt, wird an WALT sicher Gefallen finden.

Inhalt
Hi, ich bin Walt. Ich sammle weggeworfene Einkaufslisten. Das klingt vielleicht ein bisschen schräg, aber Sie ahnen ja nicht, was man auf diese Weise alles über jemanden erfährt! Das ist fast, als wäre ich selbst Teil der Familie. Ich gebe zu, ich bin einsam, seit meine Frau Mary mich vor ein paar Jahren verlassen hat. Kaum jemand gönnt mir einen zweiten Blick – als wäre ich unsichtbar. Besonders gern sammle ich die Zettel von Alisha. Sie ist noch so jung, jemand sollte auf sie Acht geben, finde ich. Ich mache das gern, auch wenn sie nicht mal ahnt, dass ich existiere …

Autor
Russell Wangersky ist ein kanadischer Schriftsteller. Nach seinem erfolgreichen Debüt „The Glass Harmonica“ gewann er vor allem mit seinem Erzählband „Whirl Away“ zahlreiche Preise und stand auf der Shortlist des renommierten Scotiabank Giller Prize. Wangersky lebt in St. John’s, Neufundland, und arbeitet als Kolumnist für die Tageszeitung „The Telegram“. „Walt“ ist sein erster Psychothriller.
Quelle: Verlagsgruppe Droemer Knaur