Rezension

Sagenhafte Suche nach der Heimat

Böhmen ist der Ozean - Rhea Krcmárová

Böhmen ist der Ozean
von Rhea Krcmárová

Bewertet mit 4 Sternen

Mit „Böhmen ist der Ozean“ habe ich mich an die anspruchsvollen neun Kurzgeschichten der österreichischen Autorin Rhea Krcmarova gewagt. Interessiert hat mich das Werk, da ich selbst ( weiter zurückliegende ) tschechische Wurzeln habe. Alle Erzählungen im Buch handeln von Böhmen und „Wasser“ im metaphorischen Sinne, von der Suche nach Böhmen als Heimat. Dabei spielen oft alte tschechische Sagen um Wassermänner und Nixen eine Rolle, kennt man diese nicht, so ist es manchmal nicht einfach den Gedankengängen der Autorin zu folgen.

Nachdem man aber alle Geschichten gelesen hat, wird das Thema plötzlich ganz klar.

Alles dreht sich um den Urmythos „Alles fließt“ - aus dem Wasser, dem Ursprung alles Lebens, werden von den Gottheiten die Menschen erschaffen, aber auch die Wassermänner und Meerjungfrauen. Ein ertrunkener Mensch wird selbst zum Wasserwesen. Verliebt sich aber eine Nymphe und ihre Liebe wird nicht erwidert, so wird sie zu einem Irrlicht, das irgendwann ganz verlöscht.

Heutzutage ertrinkt man nicht so leicht, niemand geht mehr „ins Wasser“, wenn er mit dem Leben nicht zurecht kommt - nur logisch, dass die Wasserwesen weniger werden ...

Mich haben einige der Geschichten verzaubert, manche mich nicht erreicht. Lesenswert ist das poetische Werk der jungen Künstlerin aber allemal.

Meine Lieblingserzählung ist die zweite im Buch: „Lebensstriche“. Einige Freudenmädchen treffen sich in einem Cafe am Rande der Landstraße, sie scharen sich um eine junge Frau, die sie noch nicht kennen und lassen sich von ihr aus der Hand lesen. Handlinien werden hier mit Flussläufen und Bergketten verglichen, das finde ich sehr schön. Gleichzeitig erzählen sie von ihrem Leben, ihrem Schicksal, wie sie es ertragen und den damit verbundenen Gefahren. Die junge Unbekannte aber ist eine Meerjungfrau, eine Rusalka, die später einen Frauenmörder an jener Landstraße mit ins Wasser nimmt.