Rezension

Sagenhaftes Meeresabenteuer

Die Silbermeer-Saga - Der König der Krähen - Katharina Hartwell

Die Silbermeer-Saga - Der König der Krähen
von Katharina Hartwell

Bewertet mit 5 Sternen

Jahr für Jahr verschwinden Kinder aus dem Fischerdorf Colm. Sie werden zu Seekindern, glauben die Leute, und wähnen sie ertrunken, tief unten in den grauen Wassern der Silbersee. Die Familien der Kinder bleiben krank vor Angst und Trauer zurück. Ihre Nachbarn zeigen sich mitfühlend, während sie doch zutiefst erleichtert sind, dass es sie auch dieses Mal nicht getroffen hat.

Eines Tages verschwindet Eddas Bruder Tobin. Ganz einfach so, aus seinem Zimmer. Alles, was bleibt, ist die Feder einer Krähe.

Jetzt beginnt Eddas Heldengeschichte, denn sie glaubt nicht an die Seekinder. Sie, die rothaarige Außenseiterin, wortkarg, bescheiden und folgsam, von früh bis spät an den Bottichen schuftend, wo Frauen und Kinder das wertvolle Colmin aus den Schuppen gefangener Fische stampfen, auf dass der Wohlstand der Gemeinschaft gemehrt werde, diese Edda geht auf eigene Faust ihren Bruder suchen.

Um ins gefürchtete Teermeer zu kommen, wo sie Tobin zu finden hofft, reist Edda von der heimatlichen Küste bis weit ins Inselreich, in das sich kein Fischer zu fahren wagt. Sie betritt Orte, die sich gründlich in Landschaft, Bewohnern, Religion, Kultur und Gesetzen voneinander unterscheiden.

Edda lernt. Bald kann sie lügen, stehlen, schweigen, wenn es ratsam ist, verhandeln, fordern und herausfordern. Der Leser wird Zeuge ihrer Wandlung, wenn Edda sich vom fremdbestimmten Dorfkind zur abgeklärten Abenteurerin entwickelt.

Ohne zu zögern, geht sie Zweckallianzen mit gefährlichen Despoten ein, wenn sie es für nötig hält. Genauso konsequent hilft sie, wenn andere in Not sind, auch wenn das ihrer Umgebung noch so unvernünftig erscheint.

Sie trifft auf den undurchsichtigen Seefahrer Talin Brand und den glücklosen Händler Nevin Goldzahn, auf Hexen und Spieler, Straßenkinder, Landungeheuer und Meereswesen. Sie alle hinterlassen bleibende Eindrücke, weil sie mehrdimensional angelegt sind und eben nicht in gut oder schlecht einzusortieren sind.

Die Geschichte wirkt auch deshalb so gut, weil sie moderne und überlieferte Mythen verwebt, die wir alle kennen. Düstere Prophezeihungen, verschlüsselte Träume, dazu viele überraschende Wendungen halten das Geschehen stets auf Spannung. Über allem schweben ungelöste Rätsel wie die überragende Macht der Alten Sprache oder das Geheimnis um Eddas wahre Herkunft.

Eine Geschichte zum Genießen, die zum Glück sechshundert Seiten stark ist, und dennoch zu schnell zuende.