Rezension

Sam und Lucy

Wie viel von diesen Hügeln ist Gold
von C. Pam Zhang

Wie viel von diesen Hügeln ist Gold – C. Pam Zhang

Wow, was für eine Geschichte! Wie eine Naturgewalt hat mich der Sog mitgerissen und nur schwerlich wieder ausgespuckt. Dieses bemerkenswerte Debüt lebt vom großen schriftstellerischen Talent der Autorin und einem starken, sehr besonderen Erzählton.

Zwei Geschwister, Sam und Lucy, sind allein unterwegs mit ungewissem Ziel. Sie sind Waisen und in diesem Land niemals wirklich angekommen – obwohl beide hier im Wilden Westen, zur Zeit des Goldrausches geboren wurden. Sie führen ein Pferd mit sich und eine große Kiste mit der Leiche ihres Vaters.

Es ist eine Geschichte über die Suche nach Wurzeln, nach der eigenen Identität. Auch über tiefsitzenden Rassismus und festgelegte Geschlechterrollen. Und darüber, was der Verlust eines Elternteils auslösen kann. Über Verrat und Verzweiflung. Und über die Hoffnung, doch noch Gold zu finden und es auf die Sonnenseite des Lebens zu schaffen. Vor allem eine Geschichte über die verzweifelte Suche nach einem Zuhause. Es sind also eine ganze Menge Themen, denen sich die Autorin hier zuwendet. Das eigentlich besondere an diesem Werk ist aber die literarische Umsetzung. Denn die ist grandios.

Ein beinahe poetischer Schreibstil, der die Rauheit des Wilden Westens perfekt mit den Märchen und Sagen aus der chinesischen Mythologie verbindet. Poetisch und tiefsinnig greift die Autorin existenzielle Fragen auf, spielt mit ihren Lesern und deren (verborgenen) Vorurteilen. Immer wieder wird man auf eine falsche Fährte geführt, dazu gezwungen, sich mit all diesen Themen auseinanderzusetzen. Immer wieder ist dieser Roman für eine Überraschung gut. Das beginnt bereits bei der Einteilung.  Die Geschichte ist in vier Teile gegliedert – und jeder davon überrascht,  ist völlig anders als der vorhergehende und trotzdem passend.  In jedem neuen Teil werden Überzeugungen über den Haufen geworfen, eine neue Sicht der Dinge präsentiert.

Es ist eine überragende Atmosphäre, der man bei dieser Lektüre ausgesetzt ist. Leider ist es zwar eine sehr düstere, unheilschwangere Grundstimmung, aber fesselnd. Grausame, brutale Szenen werden mit wenigen Worten umrissen und wirken dadurch nur noch umso stärker.

Auf jeden Fall ein Leseerlebnis der besonderen Art. Man muss sich darauf einlassen,  es lohnt sich.

Edit: noch Tage nach der Lektüre lässt mich die Geschichte nicht los, hadere ich mit dieser oder jener Entwicklung. Die beiden Kinder sind beinah lebendig geworden, ihr Schicksal hat mich sehr berührt.

5 Sterne und eine dringende Leseempfehlung!

Kommentare

wandagreen kommentierte am 01. August 2021 um 10:44

Lebendige Rezension. Man spürt deine Begeisterung!