Rezension

Sammlung von Momentaufnahmen

Von Vögeln und Menschen
von Margriet de Moor

Bewertet mit 3.5 Sternen

Dieser Roman enthält eine Reihe fesselnder Passagen und Geschichten, die sich für mich jedoch nicht zu einem großen Ganzen gefügt haben. Marie Lina stößt eine andere Frau in eine Baugrube, mit tödlichem Ausgang, dafür landet sie eine Weile im Gefängnis. Die Ermordete wiederum beging vor Jahrzehnten selbst einen Mord, den aber Marie Linas Mutter gestanden und abgesessen hat.

Warum sie das getan hat, wird zunächst als die große Frage dargestellt, hat aber einen sehr simplen Grund: sie wurde von den Ermittlern massiv unter Druck gesetzt. Das passiert leider und bekanntermaßen häufig. Ansonsten ist Marie Lina glücklich mit Rinus verheiratet, der als Vogelvertreiber am Amsterdamer Flughafen arbeitet; die Liebe zu Vögeln teilen sie. Rinus war früher mal in seine Schwägerin Hortense verliebt, deren Geschichte zwar auch erzählt wird, aber weiter nichts zur Sache tut.

Niederländische Gefängnisse sind außerdem anscheinend sehr fortschrittlich: Ausbruchversuche werden nicht bestraft, man hat eine Zelle mit Fernseher, Minikühlschrank und Kaffeekocher. Das wirkt nahezu gemütlich. Man darf sich sogar kleine Haustiere anschaffen. Als Vogelliebhaberin entscheidet sich Marie Lina für einen Wellensittich. Wohlgemerkt einen, damit er sich stärker an sie bindet. Das Wellensittiche Schwarmvögel sind und Einzelhaltung Tierquälerei ist, müsste sie eigentlich wissen, zumal sie und ihr Mann sich hauptsächlich über Vögel unterhalten.

Für mich ist dieser Widerspruch irgendwie exemplarisch. Alle Charaktere sind mir fremd geblieben und zum Teil ausgesprochen unplausibel erschienen (zB Hortense). Am Ende schreiben sie sich dann auch noch sehr unplausible Briefe. Den Sprachstil habe ich als recht eigenwillig empfunden, die Erzählperspektive wechselt häufig, ebenso die Zeitpunkte der Erzählung. Am Ende gibt es dann ein Happyend mit Kaffee und Kuchen für die ganze Familie. Mir hat hier irgendwie eine nachvollziehbare Entwicklung gefehlt; das Buch gleicht einer Sammlung Momentaufnahmen, von denen aber einige gut gelungen sind.