Rezension

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Sanfter Psychothriller mit gewöhnungsbedürftigem Ende…

Einer wird sterben - Wiebke Lorenz

Einer wird sterben
von Wiebke Lorenz

Bewertet mit 3.5 Sternen

Sanfter Psychothriller mit gewöhnungsbedürftigem Ende…

Durch eine Leserunde auf Lovelybooks bin ich auf dieses Buch aufmerksam geworden. Zwar habe ich kein Leseexemplar gewonnen, wollte aber unbedingt dabei sein, denn der Klappentext hat mich echt neugierig gemacht. Bisher habe ich noch nie einen Psychothriller gelesen, aber jetzt war es wohl soweit.

Auch das Cover hat mich angesprochen. Ein paar gelb/rote (verwelkte) Blütenblätter liegen auf einer hellgrauen Fläche, vermutlich Papier, denn es sieht aus, als ob etwas darauf getropft ist und sich eben wie auf Papier ausgebreitet hat. Zwischen den Blütenblättern liegt noch eine tote Fliege, sowohl auf der Vorderseite des Buches, als auch auf der Rückseite. Das Cover ist insgesamt recht hell gestaltet und hebt sich dadurch von den Covern anderer Psychothriller ab. Ehrlicherweise muss ich aber gestehen, dass ich nach der Lektüre dieses Buches keine Verbindung zwischen der Geschichte und dem Cover herstellen konnte. Trotzdem gefällt mir die Gestaltung des Covers gut und passt aus meiner Sicht auch in dieses Genre. Sehr gelungen!

Also machte sich das Buch nun auf den Weg zu mir und nach nur zwei Tagen hielt ich es mit einer gewissen Aufregung in den Händen. Mal sehen, ob Psychothriller was für mich sind…

Der Buch „Einer wird sterben“ von Wiebke Lorenz erschien am 21.01.2019 im Fischerverlag und spielt in Deutschland in einer Wohngegend in „gehobener Lage“:

Stella entdeckt vor ihrem Haus einen schwarzen Mercedes mit einem Paar, das über Stunden reglos auf etwas zu warten scheint. Je länger das Auto dort parkt, desto bedrohlicher wirkt es auf Stella und desto ängstlicher wird sie. Auf den Tag genau ist es nämlich 6 Jahre her, dass sie und ihr Mann Paul einen schweren Unfall hatten, bei dem jemand ums Leben kam. Seither vertuschen sie, wer der Schuldige ist. Doch schnell müssen sie feststellen, dass außer ihnen noch jemand ihr Geheimnis kennt. Vor Stella liegt eine nervenaufreibende Zeit, die geprägt ist von ihrem inneren Konflikt, aus Verbundenheit zu schweigen oder das eigene Gewissen zu entlasten, um sich endlich frei zu fühlen.

Gut 5 Stunden habe ich für dieses Buch gebraucht, das mich etwas enttäuscht zurücklässt.

Die Protagonistin Stella scheint ziemlich selbstbewusst zu sein, doch mit der Zeit stellt sich heraus, dass sie schon auch Minderwertigkeitskomplexe wegen ihres entstellten Gesichts hat und dass sie durch ihr Geheimnis zu Hysterie und Panik neigt. In vielen Situationen konnte ich mich in Stellas Situation hineindenken und fand ihr Verhalten auch logisch. (SPOILER ANGANG: Wenn ich allein zu Hause wäre, mein Telefon nachts ein paar Mal klingelt und nie jemand mit mir spricht, sondern nur das Atmen am anderen Ende zu hören ist, dann kann ich schon verstehen, dass Stella sich verkriecht und wirklich Angst hat. SPOILER ENDE) Aber es gab eben auch einige Situationen, in denen das Verhalten der Protagonistin aus meiner Sicht nicht schlüssig war. (SPOILER ANFANG: Wenn ich allein zu Hause bin und es gehen schon komische Dinge vor sich, dann bringe ich nicht nachts im Dunkeln den Müll heraus. SPOILER ENDE) Auch schien mir ihr Verhalten zum Teil wirklich drüber. Wie sie mit ihrer Haushälterin umgegangen ist, empfand ich als völlig unpassend und auch nicht nachvollziehbar. Auch ihr Verhalten den Nachbarn gegenüber war aus meiner Sicht nicht immer stimmig. 

Insgesamt gesehen muss ich sagen, ich hätte mir für Stella, aber auch für alle anderen Figuren mehr Tiefe gewünscht, damit sie dreidimensionaler und damit authentischer werden. Mir waren sie zum Teil auch ein wenig klischeehaft dargestellt.

Die Handlung des Buches hat mir ausgesprochen gut gefallen… bis ich die Auflösung bzw. das Ende las. Bis dahin wurde ein wirklich gelungener Spannungsbogen aufgebaut, auch wenn ein Teil davon schon vorher in einem (ziemlich langen) Subplot aufgelöst wurde. Aber darum geht es ja unter anderem auch, d.h. falsche Fährten legen. Trotzdem war ich in der Handlung gefangen und konnte durch die Cliffhanger auch kaum aufhören zu lesen. Ich habe mit Stella mitgefiebert und auch gerätselt, aber mit diesem Ende habe ich dann echt nicht gerechnet. Aus meiner Sicht gab es dafür im Verlauf zu wenig bis gar keine Hinweise, so dass es mich genau an dieser Stelle enttäuscht hat. Man hätte nicht wirklich darauf kommen können. Und auch wenn überraschende Plot-Twists grundsätzlich toll sind, war dieser ein wenig zu überraschend und wirkte auch sehr konstruiert, wie ich finde. Die Motive der einzelnen Personen, die Handlungen und auch die Gedanken waren für mich nicht in jedem Fall nachvollziehbar und so hat mich das Ende wirklich enttäuscht. Aber das ist eben Geschmacksache.

Ganz besonders gelungen fand ich den Prolog. Der hat mich sofort gefesselt - berührend und verstörend zugleich. Wirklich grandios.

Aber wie liest sich das Buch nun?

Es sind 34 längere Kapitel, die in der 3. Person Singular in der personalen Erzählform geschrieben sind. Ich lese sehr gern, wenn eine Geschichte aus mehreren Perspektiven erzählt wird, aber dadurch dass man alles nur aus Stellas Blickwinkel sieht, baut sich hier eine zusätzliche Spannung auf, was mir sehr gut gefallen hat. 

Bisher habe ich noch kein Buch von Wiebke Lorenz gelesen, so dass ich sehr gespannt auf ihren Schreibstil war und der hat mir gut gefallen. Die Geschichte ist flüssig und spannend geschrieben. Zum Teil hätte ich mir aber mehr emotionale Darstellungen gewünscht. Manchmal wirkte es leider nur erzählt und nicht visualisiert. „Show don’t tell“ - hat mir ein wenig gefehlt.

Besonders gelungen fand ich trotzdem den Spannungsaufbau, auch wenn ich mir diesen in einem Psychothriller anders vorgestellt hätte.

Mein Fazit nach 345 Seiten im Taschenbuch:

„Einer wird sterben“ ist ein sanfter Psychothriller, der zeigt, was Schuldgefühle und Angst mit einem machen können, insbesondere wenn diese aus Straftaten resultieren, die verheimlicht werden sollen, um eine Strafe zu umgehen. Für das mentale Wohlbefinden wäre es wohl besser, zu seinen Fehlern zu stehen.

Wer einen sanften Psychothriller sucht oder auch Einsteiger in dieses Genre ist, der dürfte mit diesem Roman gut beraten sein. Man sollte sich aber auf ein sehr überraschendes Ende einstellen, das nicht jeden Geschmack trifft.

Von mir erhält dieses Buch trotzdem eine Kaufempfehlung (3,5/5 Sternen), weil es mich bis auf das Ende gut unterhalten hat und auch spannend war- 1,5 Sternchen ziehe ich für meine Kritikpunkte ab, also das ziemlich konstruierte Ende, die fehlende Tiefe der Personen bzw. die zum Teil nicht nachvollziehbaren Handlungen der Figuren und für mich persönlich zu wenig „Show don’t tell“.

Insgesamt ist es aber ein gelungener Roman, den ich weiterempfehlen kann und der mir das Genre deutlich näher gebracht hat.

Vielen Dank an Wiebke Lorenz für diese Geschichte.