Rezension

Schaurig schön

Melmoth - Sarah Perry

Melmoth
von Sarah Perry

Bewertet mit 4 Sternen

Zum Inhalt:
Die Britin Helen Franklin lebt nun schon seit vielen Jahren in Prag und hat nicht viele Kontakte. Einer ihrer wenigen Freunde, Karel, gibt ihr eines Tages ein seltsames Manuskript, das sich mit Melmoth, der Zeugin befasst. Hierbei handelt es sich um eine mysteriöse Frau in Schwarz, die einst verflucht wurde, auf ewig über die Erde zu wandeln und sich an Sünder und Schuldige zu heften. Kurz darauf verschwindet Karel spurlos. Und Helen fühlt sich allmählich beobachtet und verfolgt. Langsam fragt sie sich, wie real Melmoth ist...

Meine Leseerfahrung:
Melmoth hat mich allein schon aufgrund des schönen Covers in den Bann gezogen. Ich kannte "Melmoth den Wanderer" von Maturin, von dem sich Sarah Perry inspirieren ließ, bereits durch einzelne Zitate aus diversen anderen Büchern. Gelesen hatte ich allerdings bisher nichts über diese Legende. Im Gegensatz zu Maturin hat Perry aus der Figur eine weibliche Verdammte geschaffen, die schaurig schön und teilweise sehr gruselig beschrieben wird.

Der poetische Schreibstil der Autorin passt perfekt zu der sagenumwobenen Geschichte der Melmoth. Während des Lesens befindet man sich durchgehend in einer beklemmend düsteren Atmosphäre und spürt förmlich die Hoffnungslosigkeit und die Ängste der einzelnen Charaktere. Zudem wird man als Leser an einigen Stellen auch direkt angesprochen, was bewirkt, dass man die Geschichte nahezu hautnah miterlebt und in die seltsamen Geschehnisse mit eingebunden wird.
Ebenso eingebunden ist man, als es einen umfangreichen Einblick in das Beweismaterial über Melmoth (historische Texte, Briefe und Tagebucheinträge etc) gibt. Perry versteht es sehr gut, einer Legende allmählich Leben einzuhauchen. Melmoth wird mit jeder einzelnen Geschichte über sie immer greifbarer. Und dennoch ist sie bis zum Ende des Buches im dunklen Hintergrund lauernd eine bedrohliche Gestalt, der man nicht begegnen möchte.

Dieses Buch ist definitiv keine leichte Lektüre. Sie enthält viele Sinnbilder und Metaphern, die nicht auf den ersten Blick begreiflich sind. Vielmehr erkennt man nach und nach, dass es eigentlich nicht einfach nur um Melmoth geht, sondern um Schuld und Reue, und das Verständnis von richtig und falsch. Das wird auch eher ab der zweiten Hälfte immer deutlicher. Spannung, wie in Thrillern, sucht man hier vergebens. Dafür gibt es aber um so mehr eine anhaltende düstere Atmosphäre, die trotz einiger langatmiger Stellen den Leser fesseln kann.

Ich denke, jeder hat irgendwann in seinem Leben eine Schuld auf sich geladen, auf die er nicht unbedingt stolz sein kann. Wer Melmoth liest, sollte sich darauf gefasst machen, gewollt oder ungewollt mit den eigenen Fehlern der Vergangenheit konfrontiert zu werden und sich damit auseinander zu setzen.

Fazit:
"Melmoth" von Sarah Perry ist ein Buch voller metaphorischer und tiefgründiger Anhäufungen und anhaltender düsterer Melancholie, das dem Leser einen großen Spiegel vorhält und ihn mit in die Geschichte einbindet. Es erfordert viel Geduld und Selbstreflexion, um ihr folgen zu können. Eine seltene Perle innerhalb der anspruchsvollen Literatur!