Rezension

Schaurig schön, unheilvoll und düster

Des Nachts im finstren Wald - Jana Oltersdorff

Des Nachts im finstren Wald
von Jana Oltersdorff

Klappentext:
Willkommen im finstren Wald. Kommen Sie mit in die dunklen Ecken des Märchenlandes, dorthin, wo die Stiefmutter nicht die Erzfeindin, sondern Schneewittchens beste Freundin ist und ihr beim Kampf gegen die bösen sieben Räuber hilft. Wo das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern zurückkehrt – ein Jahr nach seinem Tod. Wo die vom Himmel fallenden Sterntaler keinen Segen, sondern tödliches Verderben bringen. Wo Rotkäppchen ein hinterhältiges Biest mit psychopathischen Ambitionen ist. Und wo der mutige Recke mitten im verzauberten Schloss plötzlich feststellt, dass es besser gewesen wäre, Dornröschen niemals in seinem Schlaf zu stören. Sieben Märchen für Hartgesottene – schaurig, abgründig, unheimlich, ungewöhnlich und auf dunkle Weise … märchenhaft!

Die Autorin:
Jana Oltersdorff, Jahrgang 1977, wuchs in Wismar an der Ostsee auf. Sie lebt seit 2002 mit ihrem Mann und ihren Zwillingssöhnen in Dietzenbach bei Frankfurt am Main. Im Rhein-Main-Gebiet spielen auch viele ihrer Geschichten. Sie liest und schreibt bevorzugt in den Genres Horror, Mystery und Thriller. Bekannte Märchen neu zu interpretieren und ihnen dabei ihren düsteren Stempel aufzudrücken, ist eine besondere Leidenschaft von Jana Oltersdorff. Sie gewann 2009 die Ausschreibung "Blitztip Phantastisch" mit der Mystery-Kurzgeschichte "Das leere Buch". Seitdem hat sie weitere Kurzgeschichten in verschiedenen Anthologien veröffentlicht. Ihr eigener Kurzgeschichtenband "Zwischenstopp – Dunkle Geschichten" erschien im Frühjahr 2013. Im selben Jahr gewann sie bei neobooks den Wettbewerb „Wenn es dunkel wird“ und überzeugte dabei sogar Juror und Bestsellerautor Sebastian Fitzek mit ihrem spannungsgeladenen Kurzthriller.

Meine Meinung:
Die Zahl 7 ist in der Märchenwelt mehr als berühmt. Es gibt sieben Raben, ebenso viele Schwäne, Zwerge oder Geißlein. Und somit sind es hier sieben Geschichten, eine darunter, in der sieben Räuber ihr Unwesen treiben.
Aber nun zum Anfang.
In "Das Mädchen mit der roten Kappe" kommt Rotkäppchen nicht gut weg. Ganz im Gegenteil, von ihr sollte man sich nicht besuchen lassen, wenn man krank und alt ist.
In der zweiten Geschichte "Schneewittchen und die sieben Räuber" lehrt das Mädchen mit ihrer Stiefmutter den Kerlen, dass Frauen auch durchaus gemeinsame Sache machen können, um an ihr Ziel zu gelangen - erfrischend neu interpretiert.
Wer Märchen von Hans Christian Andersen kennt, dem dürfte das traurige Märchen "Das Mädchen mit den Schwefelhölzern" bekannt sein. Hier mutiert das Mädchen zum Rache-Engel. Schauerlich umgesetzt.
"Als die Lichter von Himmel fielen" ist eine moderne Variante des "Sterntaler"-Märchens. Mich erinnerte es entfernt an "Cloud Atlas" und "Krieg der Welten". Ein Hauch von Dystopie und Science Fiction weht durch die Handlung und nimmt den Leser mit in eine postapokalyptische Welt, in der Lichter dem irdischen Leben ein Ende setzen können.
Dass ein Narr doch mehr kann, als jonglieren und herumhüpfen, zeigt gekonnt "Der Narrenkönig".
"Die Brezelfrau" ist eine Version des Klassikers "Hänsel und Gretel", die gruselig und angsteinflößend daherkommt. Toll!
Und zu guter Letzt: "Das Schlafende Schloss", das besser weiterdösen sollte, denn wenn man es weckt, geht es dort mörderisch zu.

Wer dachte, dass die Grimmschen Märchen schon schaurig waren, wird hier eines Besseren belehrt. Ideen- und facettenreich hat Jana Oltersdorff neue Versionen geschaffen, die schaurig, spannend und unheimlich erzählt sind.
Ein paar Geschichten haben Gänsehaut-Charakter und "Der Narrenkönig" lockert die sonst düstere Atmosphäre auf.
Mir gefiel in jeder Erzählung der wunderbare Schreibstil, der die Geschichten zum Leben erweckte. Die Autorin vermag es anschaulich, die jeweiligen Situationen wirken zu lassen, denn die Worte formen sich zu Sätzen, die unter die Haut gehen.

Ein absolut gelungene Märchen-Anthologie der etwas anderen Art. Neu und frisch interpretiert.

5 Sterne.