Rezension

Schauriges Wintervergnügen

Weißer Schrecken - Thomas Finn

Weißer Schrecken
von Thomas Finn

Bewertet mit 4 Sternen

Vorweihnachtszeit im Berchtesgadener Land. Leise rieselt der Schnee, der See ist zugefroren, und unter dem Eis wird eine Mädchenleiche entdeckt. Sie ähnelt auf verblüffende Weise ihrer Finderin: Die Zwillinge Miriam und Elke sind Ebenbilder von ihr. 

„Weißer Schrecken“ ist ein weihnachtlicher Horror-Roman aus der Feder von Thomas Finn, der auf höchst schaurige Weise, eine grauenvolle Weihnachtsgeschichte ersinnt.

Die Jugendlichen finden eine Leiche, die dem Zwillingspaar bis auf’s Haar gleicht. Dadurch kommen sie einem Geheimnis auf die Spur, in dem das ganze Dorf drin hängt. 
Thematische Grundlage sind die Perchtenläufe, die dem Örtchen Perchtal - in dem der Roman angesiedelt ist - seinen Namen gibt. Perchtenläufe sind teuflische Umzüge, die im Alpengebiet zum Brauchtum gehören. 

Gleich damit hat Thomas Finn bei mir gepunktet, weil ich Perchtenläufe liebe! Es ist der Horror meines alpenländischen Brauchtums, der mir alle Jahre wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubert.

Die Perchten oder auch in der Einzahl Krampus genannt, können mit dämonischen Wesen verglichen werden, die schön-schaurige Masken mit beeindruckenden Hörnern tragen, und ihren Leib in fellartiges Gewand hüllen. Dazu kommt die obligatorische Kuhglocke, damit man sie schon von Weitem hört, eine Rute, womit glücksbringende Schläge ausgeteilt werden, und Accessoires wie Ketten und ein Korb am Rücken, zum Abtransport der bösen Kinder.

Bevor ich in dieser Rezension mein alpenländisches Brauchtum erkläre, geht es jetzt weiter in der Handlung von „Weißer Schrecken“. In Thomas Finns Horror-Roman sind diese Perchten zentral, weil sie die Grundlage für den Hergang bilden. Der Autor geht der Geschichte dahinter auf den Grund, verwebt Sagen und Legenden, und lässt damit den Horror in der Gegenwart auferstehen.

Die Jugendlichen spüren ein altes Geheimnis auf, und kommen in detektivischer Manier den Hintergründen der Ähnlichkeit mit der Leiche auf den Grund. Dabei ist ihr freundschaftlicher Zusammenhalt wie ebenso das örtliche Gefüge in Perchtal gut aufgebaut. Hinzu kommen Szenen, die durchweg fein gruselig sind, und man zudem pulvrigen Schnee im Mantelkragen fühlt. 

Der Roman wird in zwei Zeitebenen erzählt, wobei der Hauptstrang die 1990er-Jahre sind. Hier sind die Ereignisse um die Jugendlichen anberaumt. Die Rahmenhandlung spielt in der Gegenwart, wenn die besagten Teenager selbst Erwachsene sind. 

Meiner Meinung nach wäre die - knapp gehaltene - Rahmenhandlung nicht notwendig gewesen, es hätte auch ohne sie funktioniert. Dafür war der Ausflug in die 1990er-Jahre eine witzige Komponente, weil ich selbst in dieser Zeit aufgewachsen bin. Thomas Finn bemüht sich, den Roman mit den 90er-Flair auszustatten, was ihm im Endeffekt gelungen ist.

Begeistert bin ich von der Gruselatmosphäre. Der Autor hat meinem Geschmack nach genau die richtige Mischung aus historischem Hintergrund, Sagen, Legenden, dem Zeitgeist und einer interessanten Handlung geschaffen, was diesen Roman zum schaurigen Wintervergnügen macht.

Einziger Abstrich ist das Ende, was mir zwar gefallen hat, dennoch in einem Punkt nicht logisch für mich ist. Ein zentraler Bestandteil der Handlung wurde meinem Empfinden nach nicht geklärt, beziehungsweise, passt der Ausgang nicht zur Theorie, die vertreten wird.

Im Endeffekt ist „Weißer Schrecken“ ein Winter- oder Weihnachtsbuch für Leser, die lieber den Horror- als den Kuschelfaktor mögen, und sich gern mit Sagen, Brauchtum und Legenden beschäftigen. Mir hat’s gefallen.