Rezension

Schein und Sein

Der Schein - Ella Blix

Der Schein
von Ella Blix

Bewertet mit 2 Sternen

Der Ausdruck „Der Schein“ hat im Buch von Ella Blix gleich mehrere Bedeutungen. Er ist aber auch bezeichnend für mein eigenes Leseerlebnis, weil ich mir anhand des Klappentextes etwas völlig anderes unter der Geschichte vorgestellt habe. Eine unbekannte Ostseeinsel namens Griffiun, ein blitzeschießendes Schiff und ein abgelegenes Inselinternat - das klang nach einem (zugegeben) skurrilen, aber geradlinigen Jugendabenteuer. Und so hatte es zunächst auch begonnen. Der Leser ist dabei, wenn die 16jährige Alina, deren Vater zu Forschungszwecken in die USA muss, per Schiff auf Griffiun anreist. Schnell stellt sich heraus, dass hier manches etwas seltsam ist. Angefangen bei dem unheimlichen Mann mit Zylinder, der versteckten Röhrenrutsche im Internatszimmer bis hin zu den angeblich hochgefährlichen Urrindern im verbotenen Naturschutzgebiet.  

Leider hatte ich den Eindruck, dass zuviel in das Buch hineingepackt wurde. Alina trägt aus verschiedenen Gründen einiges an Gefühlschaos mit sich herum, was sich thematisch zwar einfügt, mich in der Umsetzung aber oft gestört hat. Dem Titel folgend geht es beispielsweise des öfteren um vorschnelle Bewertungen von Menschen und Sachverhalten. Alina denkt in Schubladen. Sie urteilt nach eben jenem äußeren Schein. Das ist eine sehr menschliche Eigenschaft, die hier jedoch zu einigen unnötigen Konflikten führt. Alina stand sich zu Beginn so oft selbst im Weg, dass ich sie ein ums andere Mal gerne beiseite genommen hätte, um sie wieder in die Spur zu bringen. Dass sie Gespräche oft genau dann abbricht, wenn es eigentlich gerade aufschlussreich wird, machte es leider nicht besser. Wenn ich aber beginne, mich über eine Figur zu ärgern, fängt es im Grunde bereits an zu haken. 

Meiner Aufmerksamkeit setzten dann im weiteren Verlauf längere Rückblicke, Erinnerungen und Tagebucheinträge zu. Es wird bunt mit Stilmitteln gespielt, was absolut legitim ist. Was mir teilweise fehlte, war der Blick für's Wesentliche. So werden etliche Passagen Lukas gewidmet, dem in Berlin lebenden Freund von Alina, der mit großer Sehnsucht vermisst wird, zur eigentlichen Handlung jedoch nichts beiträgt und deshalb auch völlig uninteressant für mich war. 

Normalerweise mag ich es, wenn sich alles langsam entwickelt und dem Innenleben Ausdruck verliehen wird. Hier aber strömte in meinen Augen zuviel unnötige Information auf mich ein. Einige vielversprechende Nebenfiguren (Gigi, ein Junge in Mädchenkleidung, Cara, ein übergewichtiges, quirliges Mädchen, Messi Isabella oder auch die seltsame Tinka mit ihrer verrückten Ausrüstung), fielen indes zeitweise völlig aus der Handlung heraus. Das Abenteuer, bei dem zunehmend Alinas tote Mutter ins Zentrum rückte, entspann sich dann eher nebenbei, verblüffte bisweilen mit sonderbaren Ideen (Urrinder) und endete für mich trotz der ausgefallenen Auflösung ohne großen Wow-Effekt.

Die Schreibart von Tania Witte und Antje Wagner (die unter Pseudonym veröffentlichen) setzt übrigens viel auf Jugendsprache. Jüngere Leser werden sich (zumindest gegenwärtig) im Jargon wiederfinden (nice, lame). Ich selbst musste mich wohl an das viele Gefluche gewöhnen (fuck, verfickt, kacke, scheiße). Jugendliche wird es vielleicht weniger stören. Der Stil ist ansonsten eingängig und gut lesbar, obwohl die Sprache meiner Meinung nach zum Ende hin etwas an Qualität verliert.

Fazit: Ein locker geschriebenes Jugendbuch, sprachlich deftig, aber auf die Zielgruppe zugeschnitten mit schönen Botschaften rund um das Thema Freundschaft und Vorurteile. Leider verliert sich die Protagonistin zu oft in ihren ausschweifenden Gedanken. Wer sich für Alina erwärmen kann, den mag es fesseln. Am besten zur Leseprobe greifen und natürlich weitere Rezensionen lesen!