Rezension

Scheinbare Eheidylle

Schnee in Amsterdam - Bernard MacLaverty

Schnee in Amsterdam
von Bernard MacLaverty

Bewertet mit 4 Sternen

Menschen planen aus ganz unterschiedlichen Gründen eine Reise: Sie wollen sich erholen, neue Länder kennenlernen – oder auch nur ihren Alltagstrott durchbrechen und wieder Schwung in ihre Ehe bringen, so wie das Rentnerpaar Stella und Gerry in diesem Roman.

Ihr Städtetrip von Glasgow nach Amsterdam verläuft ziemlich unspektakulär und wird dennoch sehr detailliert beschrieben. Im Vordergrund stehen dabei weniger ihre Eindrücke von der Stadt als vielmehr ihr Umgang miteinander. Für den Leser ist es schwer, ihre Beziehung einzuschätzen. Vertraute Gesten und Rituale kennzeichnen ihre langjährige Ehe und man hat den Eindruck, dass noch eine starke emotionale Bindung zwischen ihnen besteht. Diese wird jedoch stark getrübt durch Gerrys Trinksucht einerseits und Stellas Flucht in ihren Glauben andererseits.

Ihr seltsames Verhalten versteht man erst, als man von einem Gelübde erfährt, das sie vor langer Zeit abgelegt hat, und sich während dieser Reise immer mehr in den Vordergrund drängt. Auf einmal stellt sich heraus, dass Stella von Anfang an ihren ganz eigenen Plan verfolgte.

Für mich hatte der Roman Höhen und Tiefen. Interessant fand ich vor allem, welche Kluft in einer Ehe entstehen kann, wenn ein Partner neue Perspektiven und einen Lebenssinn im Alter sucht, während der andere so weitermachen möchte wie bisher. Sehr subtil vermittelt MacLaverty den schmalen Grat zwischen gewohnter Vertrautheit und allmählicher Entfremdung.