Rezension

Scheinwerfer ins Dunkel.

Mulans Töchter - Bettine Vriesekoop

Mulans Töchter
von Bettine Vriesekoop

Bewertet mit 3 Sternen

Ziemlich unstrukturiert, leider. Dennoch schlägt das Buch - in aller Unvollkommenheit - den Bogen zur Moderne und rettet so einige Punkte.

Die Autorin, Bettine Vriesekopp, sagt selber, dass es ihr nicht gelungen sei, ihr Vorhaben „ein Gesamtbild der Frau in der chinesischen Geschichte, ihrer Emanzipation und ihrer heutigen Stellung innerhalb der Gesellschaft“ zu vermitteln. Einen deratigen Plan kann man nur mit einer großen, umfassenden Studie verwirklichen. Dem Anspruch des Untertitels: „Wie moderne Frauen das Gesicht Chinas verändern“ kann die Autorin höchstens ansatzweise umsetzen. 

Das kleine Büchlein von Vriesekopp beleuchtet mehr oder weniger willkürlich und zufällig Schatten der gesellschaftlichen Wirklichkeit Chinas, mitunter werden nur sehr kleine Ausschnitte erhellt.

Die Mischform, die die Autorin für ihre Präsentation gewählt hat, Wiedergabe von Gehörtem und Gelesenem, Auszüge aus cirka zwanzig Interviews, Blicke in die Historie zusammen mit tagebuchartigen Reiseberichten, tut dem Buch nicht gut. Die Informationswiedergabe findet zudem oft in einer Art Fragespiel zwischen ihr und ihrer chinesischen Assistentin und Übersetzerin statt, für mich, ganz ehrlich, die simpelste und langweiligste Art der Informationsübermittlung überhaupt. Warum hat sie sich nicht getraut, ein reines, wenn auch unvollständiges Sachbuch zu schreiben? Oder wären doch einfach nur die „nackten Interviews“ erschienen plus Interpretation der Autorin im Nachgang. Das wäre aussagekräftiger gewesen.

Es interessiert mich nämlich nicht, ob man mit der Ubahn, dem Taxi oder der Rikscha zu einem Treffpunkt fährt und die Beschreibungen von Wegen und Tempeln sind im Detail auch eher hinderlich. Es nimmt den Platz weg für wichtigere Informationen.

Dennoch ist China so fremd für uns Westeuropäer, dass fast jede Aussage noch interessant und nützlich ist, zum Beispiel die sprechenden Metaphern, die man in China benutzt. So ist ein im ländlichen Raum alleinlebender männlicher Single ein „kahler Zweig“ und junge, selbständige Frauen in der Stadt, oft mit einem Hochschulabschluss, sind bei den chinesischen Männern so wenig beliebt, dass man sie abschätzig, „Essensreste“ nennt.

Die Diskriminierung und Herabwürdigung des weiblichen Geschlechts sind in China genau wie fast überall auf dem Erdball nicht überwunden. Etwas anderes hätte mich auch überrascht. Dennoch ist man über manche Grausamkeit entsetzt, die so leicht nicht ihresgleichen findet.

Frauen und Männer haben über die Jahrhunderte in China heftige Umbrüche ihrer Lebenswirklichkeit erfahren müssen. Sämtliche Ideologien und Traditionen sind ins Wanken geraten oder über Nacht fragwürdig geworden. Wir wissen, was allein „Der große Sprung nach vorne“ anrichtete. Dennoch hat der Kommunismus zwar Nachteile und Leid, doch unter dem Strich durchaus einen positiven Beitrag zur Befreiung der Frau vom männlichen Diktat geleistet.

Die innere Haltlosigkeit vieler Menschen kommt in einem Interview besondes zum Ausdruck. Li Yinhe z.B. hat ein hedonistisches Weltbild: „Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass das Leben überhaupt keinen Sinn hat. Das Leben ist wie ein summendes Insekt – geboren am Morgen, gestorben am Abend. … Warum wir leben? Um das zu tun, was wir angenehm finden.“

Fazit: Von China wissen wir Westeuropäer zu wenig. Darum ist jeder Beitrag über dieses große, widersprüchliche Land, willkommen, selbst wenn seine Machbar nicht unbedingt Begeisterung hervorruft und das Buch seinem eigenen Anspruch nicht im Geringsten gerecht werden kann.

Kategorie: Zwischen Reisebericht und Sachbuch wechselnd.
Verlag: Pirmoni, 2018

Kommentare

Sursulapitschi kommentierte am 29. November 2018 um 19:46

Ach, schade, das klang so gut.