Rezension

Schicksal eines deutschen Auswanderers, der in die Fänge der Nazis gerät

Der Empfänger - Ulla Lenze

Der Empfänger
von Ulla Lenze

Bewertet mit 3.5 Sternen

Josef aus einer westdeutschen Kleinstadt schafft es, in die USA einzuwandern, aber das Leben ist schwierig: Deutschstämmige sind wegen des aufkommenden Nationalismus schlecht angesehen, es gibt keine guten Jobs und keine guten Wohnmöglichkeiten. Dass man in einer solchen Situation Kontakt zu Landsleuten aufnimmt, ist verständlich. Dadurch – und weil Josefs Hobby, das Funken, für nazideutsche Kreise in den USA von Interesse ist, gerät er in deren Fänge. Naiv manövriert er sich in eine Situation hinein, aus der es keinen Ausweg mehr gibt, auch wenn er gar nicht für die deutschen Nazis arbeiten will.

Als dann auch noch das FBI auf ihn aufmerksam wird, wird seine Lage hoffnungslos, was auch das Verhältnis zu seiner Freundin Lauren zerstört.

Es ist interessant zu lesen, welche Rolle die Deutschen damals in New York gespielt haben, aber ganz klar wurde die Rolle des Geheimdienstes in meinen Augen nicht. Die ganze Geschichte blieb etwas distanziert und vieles klingt nur leicht an und wird nicht weiter verfolgt, auch als Josef ins Nachkriegsdeutschland abgeschoben wird und bei seinem Bruder Carl unterkommt. Er scheint ruhelos, weiß mit seinem Leben nichts anzufangen und begibt sich schließlich illegal nach Südamerika, wo er zwar am Ende sein Auskommen findet, aber immer noch orientierungslos wirkt.

Man muss aufmerksam lesen, um sich ein Gesamtbild des Geschehens 'zusammenbasteln'. Es ist ja heute modern, eine Geschichte zeitlich nicht chronologisch zu erzählen, aber hier fand ich die Hin- und Herspringerei übertrieben. Für mich hat das die Geschichte zu sehr zerstückelt. Sie ist im Präsens erzählt und erhält dadurch eine gewisse Unmittelbarkeit und bleibt doch im Ganzen distanzeirt. Die Sprache ist vom Satzbau her relativ einfach, enthält aber etliche schöne Bilder:

Die Abende liegen hier in dunkler Watte. (8)

Die Pause schwingt wie eine Schaukel zwischen ihnen hin und her, müsste nun beladen werden mit Josefs Erklärungen … (16) – Sie verhaken sich in ihrem Schweigen. (39)

Deutsch, das sich fest und kantig im Mund anfühlte, im Kontrast zum Englischen, das wie Flüssigkeit auf der Zunge schwamm. (54)

drei aufgeschlagene Bücher, Buchrücken zur Decke wie gestürzte Vögel (215)