Rezension

Schicksal zweier Schwestern im Berlin der Nachkriegszeit

Kinder ihrer Zeit - Claire Winter

Kinder ihrer Zeit
von Claire Winter

Bewertet mit 5 Sternen

Bewegende Geschichte im geteilten Berlin vor dem Mauerbau. Sehr spannend, emotional und mit vielen historischen Fakten untermauert.

"Kinder ihrer Zeit" war mein erstes Buch von Claire Winter, die mir bisher als Autorin nicht bekannt war. Das Buch hat mich absolut überzeugt, sowohl inhaltlich als auch vom Schreibstil. Ich freue mich, eine neue Autorin entdeckt zu haben, deren bisher erschienene Bücher ich ebenfalls lesen werde.

Rosa Lichtenberg flüchtet im Winter 1945 vor den näher kommenden Russen mit ihren elfjährigen Zwillingstöchtern Emma und Alice aus Ostpreußen. Auf dieser Flucht verliert die Mutter eines ihrer Kinder und plagt sich noch Jahre später mit Vorwürfen. In Berlin finden Rosa und Emma eine neue Bleibe und führen ein bescheidenes Leben. Erst als die Zwillinge über 20 Jahre alt sind, begegnen sie sich wieder: In Berlin, das in einen Ost- und Westsektor geteilt ist. Wie die zwei Teile der Stadt sind auch die jungen Frauen grundverschieden. Eine vertrauensvolle Beziehung ist schwer möglich, da beide von den Idealen ihres Landes überzeugt sind. Zwischen dem überbordenden Angebot im Westen und dem Mangel im Osten pendeln Emma und Alice hin und her, ebenso wie zwischen den verschiedenen Mächten und Geheimdiensten. 

Claire Winter hat einen wirklich wunderbaren, anspruchsvollen Schmöker geschrieben, in den man völlig versinken und einer spannenden und emotionalen Geschichte folgen kann. Mit der Stadt Berlin zwischen Kriegsende und Mauerbau hat sie einen immens dramatischen und aufregenden Handlungsort gefunden. Die fesselnde Geschichte von Emma und Alice, Max und Julius (natürlich gibt es auch gut aussehende Männer in der Handlung) besticht durch die vielen Details, unerwarteten Wendungen und die Einbettung in historische Fakten. Dabei lesen sich die Fakten nicht minder faszinierend wie die überaus ausgefeilte fiktionale Geschichte.

Man fühlt sich teilweise wie im Schleudergang, wenn wieder das nächste Ereignis auf die jungen Leute hereinbricht oder wenn sich wieder ein Hindernis in den Weg stellt.

Die Autorin hat einen sehr angenehmen Schreibstil, der sich leicht und schnell lesen läßt. Weder ist er zu blumig, noch zu anspruchsvoll. Er tritt zugunsten der Handlung in den Hintergrund; das hatte für mich teilweise den Effekt, als würde ich einen Film anschauen.

Vor allem Emma ist ein sympathischer Charakter, der mir sehr gefallen hat. Max und Julius sind durch ihren jeweiligen Lebenslauf ebenfalls Figuren, mit denen man absolut mitleiden und -fiebern kann. Auch die Bösewichte sind sehr gut gelungen, denn denen wünscht man die Pest an den Hals. Bei einzelnen Nebenfiguren hätte ich mir am Ende noch einen kleinen Ausblick gewünscht, um zu erfahren, was aus ihnen geworden ist.

Die Kapitel haben eine angenehme Länge und die größeren Abschnitte, die etwa  jeweils 100 Seiten umfassen, enden stets mit einer brisanten Entwicklung.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Die fiktive, ereignisreiche Geschichte der Zwillinge war wunderbar in die Geschichte des geteilten Berlin, seiner überaus schwierigen politischen Situation und der allgemeinen Stimmung zwischen Ost und West eingebettet. Man merkt dem Roman die sehr aufwendige Recherchearbeit an. Sehr kenntnisreich und verständlich werden diese politischen Ereignisse durch die Autorin vermittelt.

Ich kann das Buch sehr empfehlen. Es liest sich leicht und flott, trotz der schweren Themen Flucht, Kriegsende, Unrechtsstaat und Spionage.

"Kinder ihrer Zeit" erhält fünf Sterne.