Rezension

Schicksale in der Salpetriere

Die Tanzenden - Victoria Mas

Die Tanzenden
von Victoria Mas

Bewertet mit 5 Sternen

Zitat aus Wikipedia: „Das Hôpital de la Salpêtrière in Paris war im 19. Jahrhundert die wohl bekannteste psychiatrische Anstalt Europas. ...
Für die öffentlich zur Schau gestellten Patientinnen und ihre behandelnden Ärzte war eigens ein Amphitheater auf dem Gelände der Salpêtrière gebaut worden.“
Genau dort ist die Handlung des Romans „Die Tanzenden“ angelegt. 
Ein erschütterndes Bild der Rechtlosigkeit der Frauen wird aufgezeigt. Egal ob Vater, Bruder, Ehemann oder Schwiegermutter - jeder von ihnen konnte eine Frau als geistesgestört bezeichnen und zwangseinweisen lassen. Jahre- oder lebenslang. Ärzte konnten an ihnen herumexperimentieren, über sie verfügen, sie bei einem sogenannten Ball reichen Leuten zur Schau stellen. Nervenkitzel für die Wohlhabenden, eventuell bekam so eine Verrückte sogar Krämpfe, wie aufregend! Für die Insassinnen dennoch ein herbeigesehntes Ereignis, nahm doch endlich Jemand von ihnen Notiz. Wie in einem Zoo.
Einige wenige fühlten sich sicher, andere verzweifelten. 
Im Mittelpunkt steht Eugénie, Tochter eines angesehenen Notars. Sie kann Verstorbene „hören“. Das schickt sich nicht, ihr Vater schiebt sie in die sogenannte Heilanstalt für Geisteskranke ab. Oberschwester Geneviève erfasst ein ungutes Gefühl. Zwischen beiden entwickelt sich eine besondere Beziehung. Mit gravierenden Folgen.
Victoria Mas schildert die unfassbaren Zustände in der gefängnisartigen Anstalt.
Selbstverliebte, despotische Männer behandeln die Frauen als rechtlose Wesen. Das wird von der Gesellschaft nicht nur toleriert, sondern auch als selbstverständlich akzeptiert.
Historische Gegebenheiten werden zu einem phantasievollen Geschehen gegeben, ein beeindruckender Roman ist entstanden. Interessant zu lesen. Fazit: im Paris der 80-er Jahre des 19. Jahrhunderts möchte man als Frau keinesfalls gelebt haben.
Aus dem Französischen übersetzt von Julia Schoch, herausgegeben vom Piper Verlag.