Rezension

Schicksalsort

Im Freibad - Libby Page

Im Freibad
von Libby Page

Bewertet mit 4 Sternen

Schicksalsort

Bevor ich das Buch las, habe ich mir per Google Bilder vom Brockwell Lido angeschaut. Dieses Freibad scheint ein reines Schwimmbad zu sein mit einem hohen Sprungturm, aber ohne jeglichen Spaßfaktor wie zum Beispiel einer Wasserrutsche. Die Leute kommen also in erster Linie zum Schwimmen und zur Abkühlung hier her. Doch wenn man der Autorin Libby Page glauben darf, dann hat dieser Ort für manche noch eine darüber hinausgehende Bedeutung. 

In ihrer fiktiven Erzählung soll das Bad einem Tennisplatz für eine privilegierte Gruppe von Wohnungseigentümern weichen, weil die Stadt sich den Badebetrieb nicht mehr leisten kann. Für Rosemary zum Beispiel wäre das ein grosser persönlicher Verlust, weil quasi ihre ganze 86-jährige Lebensgeschichte eng mit dem Freibad verknüpft ist.  Sie hat schon vor langer Zeit ihren Arbeitsplatz verloren, als die Bibliothek geschlossen wurde. Erst viel später wurden ihr und den anderen klar, dass sie nicht nur eine Bücherei, sondern einen Platz der Kommunikation unwiederbringlich verloren haben. Jetzt soll sich das gleiche nicht mit dem Freibad wiederholen.

Eine junge Nachwuchsjournalistin will und soll sie in ihrem Widerstand  begleiten. Noch hat Kate nicht Fuß gefasst in ihrem Berufsleben fern vom Elternhaus. Genaugenommen drohen sogar Einsamkeit und Depression über ihr zusammenzuschlagen, bis sie sich mit Rosemary anfreundet. Schnell findet sich eine kleine Schar Unterstützer, deren Schicksale von der Autorin kurz skizziert werden. Das Hauptaugenmerk liegt jedoch auf den beiden unterschiedlichen Freundinnen. Episodenhaft wird Rosemarys Leben, vor allem die große Liebe zu ihrem Ehemann, ausgeleuchtet, wohingegen bei Kate die schrittweise Entwicklung ihres Selbstbewusstseins, den Aufbau eines Freundeskreises und der sich allmählich einsetzende berufliche Erfolg beschrieben wird.

Das Buch lebt nicht von Aktivitäten, sondern von der Charakterisierung eines Londoner Stadtteils und seiner Bewohner. Wenn man sich darauf einlässt, hat man das Gefühl, mittendrin zu sein. Deswegen kann ich sagen, dass mir das Buch sehr gut gefallen hat.