Rezension

Schlechter als gedacht

Shades of Grey - Geheimes Verlangen, 2 MP3-CDs - E L James

Shades of Grey - Geheimes Verlangen, 2 MP3-CDs
von E L James

Bewertet mit 2 Sternen

Lange habe ich mich gewehrt. Lange habe ich jedes Gutgerede meiner Freundinnen ignoriert. Doch jetzt hab ich es getan. Wenn man täglich zwei Stunden pendelt, da hat man sehr viel Zeit und wie kann diese am Besten genutzt werden? Richtig, indem man Hörbücher hört. Und hey, dieses hier bietet 17 Stunden (SIEBZEHN STUNDEN!!!) "Unterhaltung" (wie man das so sehen möchte). Ich wusste ja nicht, auf was ich mich einlasse.

Jetzt wo es endlich vorbei ist, da muss ich wirklich sagen, dass ich...ja was bin ich...mein Unterbewusstsein guckt mich kritisch über seine Brille hinweg an: "Reni denk an die riesengroße Fangemeinde" flüstert es mir zu...ich ignoriere es und strecke ihm die Zunge raus, meine innere Göttin führt einen Freudentanz auf...ich bin erschüttert. Leider kann ich in keiner Weise den Hype um dieses Werk nachvollziehen. Ich habe es wirklich versucht, bin ganz unbeeinflusst ran gegangen, doch schon nach einem Drittel wollte ich meinen Kopf nur noch auf mein Lenkrad hauen. Doch was war so schlecht?

1. Die Charaktere:
Flach, flacher, Mr.Christian Grey. Er ist reich, er sieht unglaublich gut aus, er ist intelligent, er kann Klavier spielen, er kann unglaublich gut f**, er hat die tollsten Augen, er hat einen Hubschrauber/Privatjet/gefühlte 20 Autos....habe ich was vergessen? Ach ja und er ist total verkorkst, launisch, sadistisch, versteht keinen Spaß, ist irgendwie im Mittelalter stehen geblieben. Also unsympathischer kann man seine Hauptfigur nicht machen. Halt doch es geht noch schlimmer, nämlich...

Miss Anastasia Steel! Mit 21 Jahren immer noch Jungfrau (dazu sage ich gar nichts, das finde ich wirklich aller Ehren wert!), hat keinerlei Erfahrungen mit Männern, war noch nie verliebt, was nicht an ihrem Aussehen liegt, sondern einfach daran, dass sie noch nicht den Richtigen gefunden hat. Die Gute lernt Mr. Grey kennen und zack eine Woche später ist sie entjungfert, hatte ihre ersten Orgasmen und steht kurz davor die Sklavin eines gutaussehenden Ekelpakets zu werden. Das nenne ich mal eine Entwicklung. Ja ich weiß, so ist das nun mal in der erotischen Literatur. Da hält man sich nicht groß an Kleinigkeiten auf. Sag ich auch nichts zu. Doch hier versucht die Autorin uns mit allerlei hochtrabenden Wortwechseln (am Liebsten in Email-Form, weil klein Ana sonst den Mund nicht aufbekommt) ein Niveau vorzuspielen, was es nicht gibt. Ana ist naiv, dumm und furchtbar nervig, zudem hat sie meines Erachtens schizophrene Züge an sich. Ihre besten Freunde sind Engelchen ( hier ihr Unterbewusstsein) und Teufelchen (ihre inner Göttin) mit denen sie sich gern rumstreitet. Im Großen und Ganzen liegt ihre Zuneigung für Christian im körperlichen begraben, denn wissen tut sie nichts über ihn, außer das oben bereits erwähnte. Und da der Herr sich auch kaum bis gar nicht in die Karten gucken lässt, ändert sich das auch nicht.

2. UNGLAUBLICH viele Wiederholungen: 
Was macht eine gute Autorin, bzw. einen guten Schreibstil aus? Kreativität! Und Kreativität beginnt schon bei der Wortwahl! Bereits im ersten Kapitel wurde klar, dass es der Autorin schon bei der Wortwahl an Kreativität mangelt. Ich habe nicht mitgezählt, aber auf den ersten 10 Seiten kam das Wort Sandstein sicher an die 8-10 Mal vor. Da habe ich mir noch nicht so große Gedanken gemacht, doch dann wurde es immer schlimmer. Worte wie: köstlich, Kontrollfreak, Baby (Ja auch der hochintelligente, imperiumsleitende Christian hat es nicht so mit der Kreativität),... gingen mir nach der Hälfte auf die Nerven, dazu kamen die immer gleichen Redewendungen (ich verdrehe die Augen ;)) die deutlich das fehlende Schreibtalent zeigten. Mein Highlight sind immer noch Anas Muskeln im Unterleib die sich gar köstlich in jeder Situation zusammen ziehen. Toll auch die immer wieder auftretende Kavanagh-Inquisition und "Ich will, das du isst!" "Warum will er, das ich esse?". Zudem läuft Miss Steel auf jeder zweiten Seite rot an und kaut auf ihrer Unterlippe, wenn sie nicht gerade auf ihre Hände starrt. Unterbewusstsein und Göttin sind auch wahre Wiederholungstäter. Aber den Vogel schießt die Autorin mit dem elendigen Vertrag ab. Das verdirbt auf solch penetrante Weise das Lese- bzw in diesem Fall Hörvergnügen, das ich am liebsten abgeschaltet hätte. Man kennt das ja, achtet man erst einmal drauf, dann fällt es noch stärker auf. Aber man ist ja doch neugierig, schließlich soll es doch soooo heiß hergehen zwischen den Beiden.

3. Die Story: 
Ja es gibt auch eine Story. Unbedarftes Mädchen trifft auf schwerreichen aber auch schwer (emotional) gestörten Dreamboy und verfällt ihm mit Haut und Haaren. Dreamboy möchte aber keinen Blümchensex, sondern steht darauf auch mal zu zu hauen. Damit man sich aber einig ist, wie dolle er Hauen darf und mit was wird ein Vertrag aufgesetzt, den es zu unterschreiben gilt. Mädchen ist sich nun aber völlig unsicher. Was soll sie tun?

Im Groben ist es das auch schon. Ausgeschmückt wird das Ganze mit den Selbstzweifeln Anas, ihrer Angst vor Christian, vor den Schmerzen, vor der gemeinsamen Zukunft oder eher der vielleicht nicht gemeinsamen Zukunft...und natürlich Sex. Diesen gibt es reichlich in allen Möglichen Varianten. Doch überraschender Weise, waren die Beschreibungen recht ansprechend. Das kann die Autorin. Und wer bei Thema BDSM hier dachte es ginge nur um Sado-Maso, Fesseln, Schläge, Peitschen...der täuscht sich. Mr. Grey holt zwar seine Gerte raus, aber ich denke das ist wirklich ziemlich harmlos und für die SM-Szene mehr ein Streichelspiel. 

Was mich aber wirklich aufregte, war dieses ständige Überreden wollen von Christian und dieses Hü und Hott von Ana. Man kann von solcherlei Neigungen halten was man mag, man muss es nicht verstehen, aber weder sollte man Vorurteile Menschen gegenüber haben, die sich so ihrer sexuelle Befriedigung holen, noch sollte man andere Menschen mit Druck überreden wollen, es zu machen, obwohl sie nicht überzeugt davon sind, ja sogar Angst davor haben. Und am allerschlimmsten fand ich die Situationen, wenn Ana offen zeigt, dass sie Angst vor Schlägen hat, es sogar sagt, dass sie nicht geschlagen werden will und er ihr trotzdem wieder und wieder damit droht. Nee, also da hört es auf! Aber Ana ist nun einmal eine, endschuldigt den Ausdruck, dumme Nuss und akzeptiert alles.

Fazit: Alles in einem ist "Shades of Grey" wirklich nichts für mich. Ein schlechter Schreibstil, ständige Wiederholungen, eine nervige und überaus naive ja zuweilen dumme Hauptprotagonistin, ein eingebildeter, leicht sadistischer, unsympathischer Kotzbrocken als männliche Hauptfigur vermiesen das Buch. Einzig die erotischen Szenen sind ganz nett beschrieben. Aber das reicht leider nicht!

Eine kleine Anmerkung möchte ich aber noch zu Merete Brettschneider machen. Ihre Stimme passt perfekt zu der naiven Figur Anas. Sie macht ihre Arbeit gut und es ist angenehm ihr zu folgen. Das ist uneingeschränkt das Positive an diesem Hörbuch!