Rezension

Schmetterlinge und Liebesbomben - aber reicht das?

Wie uns die Liebe fand - Claire Stihlé

Wie uns die Liebe fand
von Claire Stihlé

Bewertet mit 2 Sternen

Vorab muss ich leider wieder einmal den Klappentext kritisieren, den ich nun immer und immer wieder gelesen habe, um mir darüber klar zu werden, was zwischen mir und Madame Nan schiefgelaufen ist. Zusammengefasst verhält es sich wohl so: der Klappentext hat mir suggeriert, dass Madame Nan sich mit 92 Jahren in Monsieur Boberschram verliebt und dass diese Tatsache zu allerlei Tohuwabohu und Verwirrungen führt. Diese Idee fand ich im Zeitalter der "Golden Ager" und des allgemein verbreiteten Jugendwahns so rasend ansprechend, dass ich mich wirklich wahnsinnig auf dieses freche und ungewöhnliche Thema gefreut habe. ABER: was dann kam, hat leider meine Erwartungen sehr enttäuscht. 

Tatsächlich handelt der Roman nämlich nicht von der 92-jährigen, sondern von der 52-jährigen Madame Nan, die sich im Jahr 1979 in Monsieur Boberschram verliebt. Daneben werden allerlei (amouröse) Ereignisse im Dorf Bois-de-Val geschildert und es gibt ein paar Rückblicke in die 40er-Jahre. Die 92-jährige wird hier auf das erzählende Ich reduziert. Das Erleben ist ausschließlich der jüngeren Version vorbehalten (scheinbar ist der Ofen mit 92 doch schon mehr oder weniger aus) und dass ist dann leider auch der Grund, dass dieser Roman nichts Besonderes, sondern lediglich netter Durchschnitt ist. 

Von der Art her hat mich viel an Joanne Harris Chocolat erinnert (ein Roman, der vermutlich auch eher nur noch wegen der Verfilmung in Erinnerung ist), nur dass hier die Menschen nicht durch Schokolade verändert, sondern durch Voodoo-Liebesbomben betört werden. Sobald diese ihre Wirkung entfalten, kommt es zu Schmetterlingsstürmen. Wenn man magischen Realismus mag, dann freut einen dieser Umstand sicherlich sehr, wenn man kein Freund dieser Richtung ist, dann hat man es mit dem Roman schwer, denn ein wesentlicher Teil ist den Liebesbomben gewidmet. Auch sonst hat mich die meines Erachtens sehr belanglose Handlung leider nicht mitgerissen. Für meinen Geschmack war das Konstrukt insgesamt etwas zu artifiziell und oberflächlich. Dies führe ich zum einen darauf zurück, dass mir das gesamte Zeitkolorit des Jahres 1979 fehlte. Zwar gibt Tochter Chloé immer wieder ihren  gerade erwachenden Feminismus zum Besten, aber das reicht mir nicht - vor allem nicht aus der Perspektive von heute. Der Teil, der 1979 spielt, ist nur deshalb in jenem Jahr angesiedelt, damit Madame Nan die 40er-Jahre erleben konnte. Zum anderen erschließt sich mir nicht, warum der Roman eine 92-jährige Erzählfigur braucht. Auch wenn auf der letzten Seite eine melancholische Note über das Ende des Lebens erreicht wird, spielt das Alter der Erzählerfigur ansonsten keine Rolle und prägt ihre Erzählstimme auch nur marginal. Überhaupt - die Erzählstimme. Ich bin ein großer Fan von authentischen und lebendigen Erzählstimmen, zu Madame Nans Stimme habe ich keine Nähe aufbauen können. Der gesamte Schreibstil war mir emotional zu distanziert und vor allem zu albern, sodass immer wieder der Eindruck entstand, dass viele Dinge ins Lächerliche gezogen werden. Ich finde Humor bei der Erzählinstanz immer großartig, aber hier war es für mich einfach nicht stimmig. Ich bin mir bewusst, dass all die Aspekte, die ich hier kritisiere, durchaus auch von der Autorin für ihren Roman so gewollt sein können: der spöttische, alberne Grundton des Schreibstils, die Magie, die überzogenen Figuren, aber es hat für mich nicht funktioniert und mich leider nicht berührt.