Rezension

Schnabeltier

Gefährliche Lügen - Helen B. Kraft

Gefährliche Lügen
von Helen B. Kraft

Bewertet mit 4.5 Sternen

"Die Linie seines Kiefers wurde noch steiler,
falls das überhaupt möglich war."(S.360)

Was macht man, wenn man einfach keine Zeit findet, mehrere Bücher nachzuholen? In Keys Fall: Einfach quer einsteigen. Geht nicht überall, vielleicht habt ihr mitbekommen, dass mir das manchmal versehentlich passiert. Diesmal ganz bewusst, ich hatte schon seit langem das Gefühl, dass die ‚Bestien‘ von Helen B. Kraft meinen Geschmack treffen könnten. Und jetzt endlich mal in Angriff genommen. Zum Leidwesen einer anderen Serie und ein paar anderen Dingen (direkte Konkurrenz ist zB das Zocken von ‚Horizon Zero Dawn‘). Immer diese Entscheidungen! Bereut hat sie es nicht. Zeit mit dem Kobold Calliou und dessen menschlicher Gestalt: Cal zu verbringen, war es wert. Wäre der als Mensch nicht so ein Adonis, sondern hätte eher wirklich markante Züge, dann wäre der Mann over all top gut gelungen. Aber niemand hindert mich daran, mir den Mann vorzustellen, den ich will. Und das ist in dem Fall eher ein: Desmond Harrington. Und er ist grün. Punkt.

Wer die Serie noch nicht kennt, niemand hindert euch daran vorn anzufangen, chronologisch richtig, damit alle Charaktere und Hintergründe bekannt sind. Letztlich aber könnt ihr sicher auch mit Teil 3 anfangen, der inhaltlich in direkter Beziehung zu Teil 4 steht. Oder so wie ich machen: Irgendwo mitten rein. Manchmal lohnt sich das, weil man beim Lesen schon merkt: Alles klar, den Rest will ich jetzt auch. Ob mit oder ohne grüne Männer. Hauptsache mit Säbelzähnen, Hörnern und schrägen Kopfbedeckungen.

 

"Mundwasser kaufen, nur für den Fall."(S.133)

Was vorher geschah, lasse ich an dieser Stelle auch einfach weg. Ich weiss nur, dass zB Figuren auftauchen die es schon mal gab. Ich hoffe ich komme im Laufe des Jahres dazu die anderen Bände nachzuholen. Ich stelle euch direkt mal das Aussehen des Buches vor, denn wir hangeln uns brav an Prolog, Kapiteln mit sehr guten Zitaten und Epilog entlang. Diese Zitate weisen eine Besonderheit auf, normalerweise finde ich so was nämlich nicht so spannend. In diesem Fall jedoch sind es selanische Sprichworte oder Aussagen aus Reden früherer Charaktere (zB Cruth). Daher macht es umso mehr Vergnügen sie zu lesen. Der Prolog an sich ist dann an Grausamkeit kaum zu überbieten und lässt einen erst Mal richtig übel geschockt zurück. Schade ist dann, dass wir ein paar Zeitsprünge ausführen, um Nayas Kindheit und Jugend zu überspringen.

Wir landen schließlich in einem Flugzeug, einige Tage vor Nayas Geburtstag. Und nicht irgendein Geburtstag, sondern der mit dem sie zu den Erwachsenen zählen wird. Das ist für Bestieneltern eine ganz besondere Sache. Währenddessen ist Calliou in seinem Leben vollkommen aufgegangen, hat einen Job der ihm gut steht und viel Verantwortung, darüber hinaus ein Faible für die Prinzessin von Sela. Völlig untergegangen ist leider seine Freundschaft zu Daerog, die man nur ganz kurz zu sehen bekommen hat. Leider muss man sich hier auf das Wichtigste beschränken und das sind dies Mal die Kobolde. Und die Erbsen sind einfach nur toll. Leider stirbt immer einer aus ihren Reihen, wenn ein Kobold lügt und momentan scheint da einer echt Gefallen am Lügen gefunden zu haben. Cal soll das gefälligst aufklären. Obwohl er stattdessen viel lieber mit Naya flirten würde, die aber für ihn nicht mehr als das ‚Wir-kannten-uns-als-Kinder-Friend-Zone‘-Gefühl übrig hat.

 

"Wenn der Gefährte der Königin sich prügeln wollte,
würde keiner der Soldaten eingreifen."(S.94)

Weiter geht es dann vor allem mit Pfirsich und Schokoladendüften, Schattenboxen, verschwundenen Bestien aus aller Herren Länder (Japan, Ukraine etc), einem hochkarätigen Streit zwischen der Königin Natalya und ihrem General Daemyan. Es geht um ein nicht unwichtiges Schnabeltierstofftier, gedungene Auftragskiller die einen Assassinen versuchen zu jagen, um den Tempel mit den Silberlichtfaltern, natürlich auch um Krieg. Andauernd hat hier irgendwer einen Kloss oder gleich Brocken im Hals. Die Kämpfe sind voller Blut, Schweiß und Urin. Das Ausweiden der Menschen, wie Nutzvieh, zum Erhalt der Gesundheit darf nicht fehlen und dann taucht auch noch so ein kreuzkomisches Kind auf, welches kryptische Anmerkungen hinterlässt.

Das Buch bietet eine abgeschlossene Haupthandlung, in der sich viele Rädchen drehen, belässt es am Ende kaum mit offenen Fragen, sondern mit einem Brief und einer Phiole. Darüber liegt das demonstrativ männlich dominante Gehabe von Alpha-Rüden. Während Naya als gefährliche Bestie eher wie ein verwöhntes Prinzesschen und Daddys Liebling rüberkommt, gewinnt sie ihre Stärke erst gen Ende. Cal ist jedoch das ganze Buch über konstant, findet nur endlich den Knopf, um seinen Kobold zu stehen.

 

Fazit:

Dieses Buch kann ich nicht uneingeschränkt empfehlen. Es ist für Erwachsene geschrieben, Blut, Schweiß, Brutalität, Sex (wahlweise auch miteinander) sind vorhanden und wem das nicht liegt, der wird hiermit nicht glücklich. Ansonsten gilt: Helen B. Krafts ‚Bestien‘ sind die deutsche Antwort auf G.A.Aiken und Nalini Singh. Wir haben ein tolles Königshaus, mit wunderbaren Charakteren gefüllt, die alle ihre eigene Geschichte erzählen wollen. Wir haben Magie und Gestaltwandlung, Teleportation und animalisches Gehabe und Gezicke. Ich mag es sehr. Ich mag auch die Runen auf den Körpern und Cruth noch eins, ich kann auch ab und an mit dem Wort ‚Schwanz‘ leben.

Was ich nicht so toll fand ist eben, die Freundschaft zu Daerog kam mir zu kurz, hinten raus stolpert es noch mal über Fallen und Existenzebenen und mehrere Kinder. Und dann eben ganz zum Schluß: … (sag ich hier nicht.) Dennoch bleibt der Stil mit einem Wort: süffisant. Bei aller Dramatik, Spannung, Kampfszenen, Aktion und Blutspritzigkeit findet eben auch Humor statt. Der sich oft subtil äußert, da man Charaktereigenschaften belächelt oder eben Handlungen grinsend benickt, weil man sich denkt: Ja, so typisch Bestie/ Kobold/ Mensch.