Rezension

Schnappt die Falle zu?

Die Falle - Melanie Raabe

Die Falle
von Melanie Raabe

Bewertet mit 5 Sternen

Im Mittelpunkt des Debütromans "Die Falle" von Melanie Raabes steht die Romanautorin Linda Conrads. Sie ist 38 Jahre alt und schreibt jedes Jahr ein Buch, die alle überaus erfolgreich sind. Die Leute behaupten von ihr, dass sie nicht von dieser Welt ist (S. 5), und die Presse vermutet, dass sie unter einer mysteriösen Krankheit leidet. Depressionen und Panikattacken bestimmen seit Jahren Lindas Leben. Ihre große Villa am Starnberger See, in der sie mit ihrem Hund Bukowski lebt, hat sie seit über einer Dekade nicht mehr verlassen. Sie sitzt oft am Fenster und sieht durch die große Glasfront auf den Waldrand und den See. Ihre Assistentin Charlotte, ihr  Verleger Norbert und ihr Gärtner gehören zu den wenigen Menschen, mit denen sie noch Kontakt pflegt. Ihre Eltern leben noch; sie hat sie seit vielen Jahren nicht mehr gesehen.  Es kommt vor, dass sich Linda in ihre drei nebeneinanderliegenden Gästezimmer zurückzieht und sie zu Italien erklärt. Dann sieht sie sich Filme und Dokumentationen an und lässt sich landestypische Spezialitäten anliefern. Als sie an einem Tag im Herbst in ihrem Bett aufwacht, läuft noch die Nachrichtensendung. Das Gesicht des Reporters kennt sie und erträgt es nicht. Er ist der Mörder ihrer drei Jahre jüngeren Schwester Anna, die sie vor zwölf Jahren in ihrer Wohnung in einem Blutbad fand. Er wandte ihr sein Gesicht zu, dann flüchtete er. Warum musste Anna sterben? Schnell war damals der Polizei klar, dass es sich um eine Beziehungstat gehandelt haben muss, doch der Mord ist noch immer nicht aufgeklärt, der Täter nicht hinter Gittern.
„Die Falle“ von Melanie Raabe besticht durch einen interessanten, anfangs recht eigenwilligen Schreibstil. Der Roman kommt mit nur sehr wenigen Protagonisten und einer recht einfach konzipierten Story aus. Kurze prägnante Sätze bringen dem Leser die Ich-Erzählerin Linda Conrads näher, die durch das plötzliche Auftauchen des vermeintlichen Mörders ihrer Schwester vollkommen aus der Bahn geworfen wird. Von ihrem Plan getrieben, ihn herauszufordern und zur Strecke zu bringen, schreibt sie einen Kriminalroman, "in dem ein Mord beschrieben wird, der dem an meiner Schwester bis ins letzte Detail gleicht." (S. 40) Sie nennt ihn "Blutsschwestern" und will ihn dem Mörder ihrer Schwester um die Ohren hauen.

Auszüge aus Lindas neuem Buch bilden den zweiten Handlungsstrang. Sie sind in einer anderen Schriftart und mit anderen Kapitelnummern versehen. Hier erhält der Leser wichtige Hintergrundinformationen zur Vergangenheit, zum Beispiel zum Verhältnis der Schwestern, das nicht immer harmonisch war. Zwei Wochen vor der Veröffentlichung ihres Kriminalromans lädt Linda den Reporter zu einem ihrer seltenen Interviews ein. Sie wird bereit sein, weil sie ihm eine Falle stellen will. "Eine Falle bezeichnet die Vorrichtung zum Einfangen und Töten. Eine gute Falle sollte zweierlei sein: sicher und simpel.“ (S. 94) Doch welcher versierte und erfahrene Journalist kommt ohne Vorbereitungen zu einem Exklusivinterview, das in der Branche auch noch für Furore sorgen wird? Das Psychoduell der beiden Hauptakteure, das den Mittelteil in „Die Falle“ ausmacht, ist der spannendste und raffinierteste Teil des Romans. Wem kann und darf man noch glauben? Und war vielleicht doch alles ganz anders? Ein empfehlenswerter Debütroman, der bis zum Ende spannend bleibt.