Rezension

Schnörkellose Jungs-Geschichte

Warum Charlie Wallace? - Stan van Elderen

Warum Charlie Wallace?
von Stan van Elderen

Bewertet mit 4.5 Sternen

Von Anfang an ist klar, dass Jonathan und Charlie nur wenige Tage miteinander verbringen werden. Auf Jonathan wirkt Charlie erschreckend normal, offen und optimistisch. Frisch nach New York gekommen geht der neue Mitschüler auf alle zu, spricht ohne Ansehen der Person freundlich mit jedem und bringt Jonathan ständig in Situationen, die ein schüchterner Mensch nur schwer erträgt. Unterlagert werden die alltäglichen Ereignisse mit der Andeutung eines Erlebnisses in Jonathans Vergangenheit, über das er dringend mit einer vertrauenswürdigen Person sprechen müsste. Dadurch entsteht eine gegenläufige Spannung, die hoffen lässt, dass Jonathan sich dem neuen Freund gegenüber öffnen kann, bevor die Geschichte zu Ende ist.

Bemerkenswert fand ich Jonathans Begegnung mit dem Englischlehrer Mister Wainwright, einer manipulativen, rachsüchtigen Gestalt, von der nicht nur Jonathan annimmt, dass er Englischlehrer geworden ist, weil er die Literatur hasst. Weniger haben mich Jonathans Lebensumstände als Einzelkind eines ständig abwesenden Elternpaares begeistert. Die Schwarzweissmalerei zwischen Jonathans Vernachlässigung im Wohlstand und der Herzlichkeit in Charlies Familie mit mehreren Kindern ist mir selbst in einem Jugendroman zu plakativ. Jonathan hat zwar Probleme eines amerikanischen Oberschicht-Kindes - aber nicht nur Kinder aus Penthäusern haben vergleichbare Probleme. Trotz der nicht klischeefreien Umstände beeindruckt die Geschichte der anrührend unkomplizierten Begegnung zwischen den Jungen durch ihre klare, schnörkellose Sprache und die Konzentration der Handlung auf wenige Tage. Im Rückblick könnten es später einmal die wichtigsten Tage in Jonathans Lebens sein.