Rezension

Schöne Formulierungen, die zu wenig Geschichte erzählen

Die Glasschwestern - Franziska Hauser

Die Glasschwestern
von Franziska Hauser

Bewertet mit 2.5 Sternen

Eine Geschichte, die Potential hätte haben können, deren spannungsbildende Themen, aber leider im Sande verlaufen.

Das Buch:

Ich habe das Buch in einer Leserunde gelesen und bedanke mich für diese Möglichkeit bei der Autorin und dem Verlag. Das Cover zeigt ein diffuses Bild und erzeugt gewissermaßen Spannung und Interesse. Zusammen mit dem, was der Klappentext verspricht und einer doch sehr anregenden Leseprobe, habe ich eine gewisse Erwartung an das Buch entwickelt.

Worum geht’s?

Dunja und Saphie – Zwillinge – werden am gleichen Tag zu Witwen. Ein makabrer Zufall, der die beiden sehr unterschiedlichen Frauen wieder zueinander führt. Während Dunja bisher ein klassisches Familienleben mit Mann und Kindern in der Großstadt führte, lebte Saphie nur für das Hotel und ihren alkoholkranken Mann. Da Dunja in der Großstadt nichts mehr hält, bleibt sie bei Saphie im Hotel – eigentlich um ihr etwas unter die Arme zu greifen. Doch dann entwickeln sich die beiden Frauen – unerwartet und vielleicht auch ungewollt.

Die Charaktere:

Obwohl die Idee des Buches wirklich toll ist (makabrer Zufall, Wiederannäherung in der Familie, Geheimnisse aus der Vergangenheit usw.), konnte mich keiner der Charaktere wirklich berühren, was ich ausgesprochen schade finde. Es mag daran gelegen haben, dass die Charaktere außergewöhnlich extrem agieren. Augusta ist extrem laut, Jules extrem introvertiert, Dunja extrem dienstleistungsorientiert – in Bezug auf ihre Familie und Kinder; sie ordnet sich und ihre Bedürfnisse über die Maßen unter – Saphie ist extrem extrovertiert und lässt ihre Gefühle überhaupt nicht zu, Lenka – die jüngere Schwester der Zwillinge – ist extrem egoistisch.

So war es mir nahezu unmöglich einen wirklichen Zugang zu einer oder mehreren Figuren zu finden. Durch die extremen Verhaltensweisen erschienen sie mir etwas fern ab der Realität. Dass in einer Familie ein, höchstens zwei auffällige Charaktere vorkommen, ist nachvollziehbar – aber alle?

Was ich sehr interessant in Bezug auf die Charaktere finde, sind ihre sehr ungewöhnlichen Namen. Hier hat sich die Autorin viel Mühe gemacht, Vor- und Nachnamen zu finden, die nicht alltäglich sind. Und obwohl sie so ungewöhnlich sind, sind sie dennoch einprägsam.

Schreibstil:

Der Schreibstil der Autorin ist wundervoll. Sie findet eine herrlich bildliche Art Dinge zu beschreiben, ihnen bisweilen sogar menschliche Züge überzustreifen, sodass der Leser sich gut vorstellen kann, was sie meint. Auch dass sie Vergangenheit und Gegenwart einfach ineinander überfließen lässt, gefiel mir gut. Anfangs mag es ungewohnt sein, die Vermischung von Präsens und Präteritum zu lesen, aber im Laufe der Zeit machte eben diese Vermischung den Charme des Stils aus.

Jedes Kapitel ist mit einem Sprichwort überschrieben, für dessen Findung die Autorin sicherlich einiges an Zeit aufwenden musste. Diese Sprichworte passen inhaltlich zum Text des nachfolgenden Kapitels. Manche gefielen mir, andere nicht, aber die Idee hebt sich so wunderbar von anderen Büchern ab, die ich bisher gelesen habe.

Was mir fehlte:

Es gibt zwei wirklich gute Aufhänger, aus denen ich mir eine gewisse Spannung erhofft hatte. Zum einen der Tunnelbau und zum anderen der gläserne Mensch. Beide Themen verlaufen aber mehr oder weniger im Sand, ohne dass es eine tatsächliche Auflösung gibt. Das Geheimnis um die Geschichte des Tunnels wird für meine Begriffe recht plump einfach hingeworfen und der gläserne Mensch taucht irgendwann einfach nicht mehr auf.

Im letzten Drittel der Geschichte hatte ich immer öfter den Eindruck, dass sie länger geschrieben wurde, als sie hätte wirklich sein müssen. Auch die wundervollen Formulierungen wurden weniger, was ich sehr schade fand. Ich hätte mir mehr Tempo in der Geschichte gewünscht und eine spannendere Auflösung der Geschichte des Tunnels.

Fazit:

Die Idee der Geschichte hätte Potential gehabt. Leider liegt das Augenmerk der Autorin vornehmlich auf wundervollen Beschreibungen. So bleiben die Spannung der Geschichte und die Sympathie der Charaktere für mich zu sehr auf der Strecke. Wer Bücher mag, die beschreiben, wird hier seine wahre Freude haben, wer aber eine Geschichte an der deutsch-deutschen Grenze erwartet, sollte lieber nicht zugreifen. 2,5 Sterne.