Rezension

Schöne Kurzgeschichten

Die ungeahnte Begegnung - Gerald Orthen

Die ungeahnte Begegnung
von Gerald Orthen

Bewertet mit 5 Sternen

„...Wir Fahnder waren in Bretterbuden auf dem Polizeiareal in der Bonner Altstadt untergebracht. Schlechter noch, als die Erhaschten im Gefängnis nebenan...“

 

Mit diesen Worten gibt der junge Fahnder Eugen einen Einblick in die Verhältnisse des Jahres 1946. Er tritt gerade seinen Dienst an und bekommt sofort den ersten Fall.

Es ist die erste von sieben bunt gemixten Geschichten. An ihr hat mir besonders gefallen, dass bei den Ermittlungen die Menschlichkeit siegt und dass die Zerstörungen des Krieges, die noch gegenwärtig sind, deutlich herausgestellt werden.

Die zweite Geschichte könnte man durchaus unter die Krimis einordnen. Sie spielt in naher Zukunft. Wie nahe? Das wiederum ist relativ: Tage, Monate, Jahre… Eigentlich ist es nur ein Gespräch über Kunst. Aber dabei wird die Polizistin Anne nach allen Regeln der Kunst ausgehorcht. Sie kennt sich selbst nicht wieder. Wer aber ist ihr Gegenüber?

Die nächste Erzählung ist kein Krimi. Sie beginnt mit Ernst und Angst und hat einen hohen Wiedererkennungswert.

 

„...Nebenan, in Zimmer 2, kreischt ein Bohrer los. Noch ein armer Hund – aber was wird mit mir?...“

 

Gekonnt gelingt dem Autor die Wende zu einem humorvollen Ende.

Dann erlebe ich ein fiktives Gespräch. Ein Jurist unterhält sich gedanklich mit seinem Ururururahn (Wie viele „ur“ ist unklar).

 

„...Hüte dich! Hochmut kommt vor dem Fall. Gevatter Hunger ist ein böser Begleiter...“

 

Die Geschichte ist einer meiner Favorit. Sachlich und doch berührend prallen zwei Lebenswirklichkeiten aufeinander. Sind die Mahnungen aus der Vergangenheit wirklich überholt?

Der zweite Favorit folgt sofort. Der jüngere von zwei Brüdern erzählt in der folgende Geschichte aus dem Leben. Wann berührt uns im Laufe unserer Jahre der Tod? Diese Frage steht im Mittelpunkt. Es sind drei Episoden, die auf bewegende Art erzählt werden. Der Tod des Großvaters ist die erste.

 

„...So endete der Tag, an dem mein großer Bruder erfuhr, dass wir Menschen sterben müssen. Ich hatte erst wenige Wochen zuvor das Licht der Welt erblickt...“

 

Auch hier wird deutlich, wie gekonnt der Autor das Spiel mit Worten beherrscht. Häufig kommt er schnell und präzise auf den Punkt. Er nutzt Gegensätze, um Besonderheiten deutlich zu machen.

Die vorletzte Erzählung gibt die Gefühle eines alleinerziehenden Vaters wieder, dessen Tochter zum Studium das Haus verlässt. Es ist für beide Seiten die Chance für Abschied und Neuanfang.

Die letzte Geschichte ist ein handfester Krimi, der für manche Überraschung gut ist. Kurz zusammengefasst, passt er in die Rubrik: Und erster kommt es anders und zweitens als man denkt!

Das Büchlein hat mir sehr gut gefallen. Es ist eine schöne Mischung unterschiedlicher Genre, auch wenn der Text auf der Rückseite das nicht so deutlich zum Ausdruck bringt..