Rezension

Schöne Liebesgeschichte mit historischen Bezügen und guter Portion Spannung

Die Geisel des Löwen - Ricarda Jordan

Die Geisel des Löwen
von Ricarda Jordan

Bewertet mit 4 Sternen

Liebe, Gefahren, Begegnungen und Spannung bis zuletzt. Eine Reise durch eine vergangene und doch unbekannte Welt.

Der historische Roman DIE GEISEL DES LÖWEN wurde von Ricarda Jordan geschrieben und ist 2013 bei Lübbe erschienen.

Inhalt in eigenen Worten

Die junge Amra wächst im 12. Jahrhundert auf der Insel Rügen auf. Sie gehört zum Volk der Ranen, die einfache Fischer, Handwerker und Bauern waren und sich ab und an auch durch Piraterie ein Zubrot verdienten. Die Ranen glaubten an mehrere wirkmächtige Götter, die auch Opfer verlangten. Als der junge Knappe Magnus durch ein gekapertes Schiff auf die Insel gelangt, soll er dem Kriegsgott geopfert werden. Amra befreit den jungen Mann, in den sie sich verguckt hat, durch eine List. Er kann seinem Todesurteil entkommen und geht ihr seitdem nicht mehr aus dem Kopf.
Amra lebt in unruhigen Zeiten. Rügen wird immer wieder durch die Dänen und die Sachsen angegriffen und letztlich unter Heinrich III. dem Löwen „christianisiert“.  Verschiedene Umstände führen Amra weg von Rügen auf eine etappen- und erlebnisreiche Reise durch die Herzogtümer Sachsen, Franken und Bayern.

Mein Leseerlebnis 

Im Fokus der Gesamtstory steht Amra. Direkt zu Beginn des Buches zeigt sich, dass sie sehr intelligent, unerschrocken und mutig ist. Sie ist gebildet und hinterfragt die Dinge, die sie in ihrem Umfeld erlebt. Amra wirkt dadurch auf mich nicht wie eine Frau ihrer Zeit, sondern in gewisser Weise sehr modern. Auf der einen Seite macht es sie unglaublich sympathisch und es fällt sehr leicht, sich in sie hineinzuversetzen. Auf der anderen Seite leidet dadurch die Authentizität, auch wenn es der Autorin gelingt, viele der Wesensmerkmale gut und logisch zu begründen. Sehr gut gefällt mir Amras Tatkräftigkeit und praktische Veranlagung. Diese Seite an ihr passt zu einer Kindheit auf einer rauen Insel.

Der zweite Hauptcharakter ist Magnus von Lund, der jüngere Sohn einer kleinen, verarmten Adelsfamilie. Auf dem Gut seiner Familie gibt es keine Arbeit und so tritt er als Ritter in den Dienst anderer Herren, um sich auf diese Weise ein Lehen zu verdienen. Magnus  ist mit Leib und Seele Ritter. Dazu gehören auch die ritterlichen Tugenden wie „Ehre“, „Höflichkeit“, „Mannhaftigkeit“ und „Treue“ aber auch der Glaube, denn Magnus ist christlich erzogen worden. Magnus‘ Identifikation mit all diesen Werten machen ihn ebenfalls sehr sympathisch. Er ist verlässlich, treu, eine ehrliche Haut und steht immer für die Gerechtigkeit ein. An einigen Stellen wird er damit für mich zu einem Helden, den man einfach nur feiern möchte. In anderen Momenten wiederrum machen ihn diese Eigenschaften aber auch ein bisschen naiv bzw einfältig, denn er muss immer wieder erstaunt feststellen, dass nicht alle Zeitgenossen diesen Tugenden anhängen.
Wichtig sind natürlich auch die Gegenspieler, an denen es nicht mangelt. Nennen möchte ich an dieser Stelle aber nur Vaclav. Er ist der Oberfiesling, der den beiden immer wieder das Leben schwermacht. Egozentrisch, jähzornig, besitzergreifend, gierig, blutrünstig, gewalttätig, betrügerisch… Diese Liste könnte ich fortsetzten. Immer, wenn er auftaucht, stockt einem der Atem.

Ricarda Jordan holt mich sprachlich wie immer ab. Ihr gelingt es, Dialoge lebendig werden zu lassen und unbekannte oder neue Situationen so zu beschreiben, dass sofort Bilder vor meinem inneren Auge entstehen. Dadurch ist es für mich mühelos möglich, in die doch fremde Welt des Hochmittelalters abzutauchen und mit auf Reisen zu gehen. Faszinierend ist, dass dabei nicht ausschließlich die Hauptcharaktere im Fokus stehen sondern ebenfalls viele kleinere Begegebenheiten, die sich im Umfeld oder "am Wegrand" abspielen. Diese erzeugen den Eindruck, tatsächlich in eine bunte Gesellschaft zu schauen. Ihr gelingt es, einen guten Spannungsbogen bis zum Schluss aufzubauen.

Es gibt ein paar Perspektivwechsel, bei denen andere Personen als Amra im Fokus stehen. Diese sind grundsätzlich klar verstehbar und gut umgesetzt. Allerdings waren mir dabei nicht immer die zeitlichen Sprünge klar, also ob es sich um eine Rückblende handelt oder zur gleichen Zeit wie das zuvor gelesene abspielt. Dies sorgte leider dafür, dass ich an ein paar Stellen gedanklich aus der Geschichte geworfen wurde, machte aber für das Grundverständnis keinen Unterschied.

Fazit: ⭐️⭐️⭐️⭐️

Der historische Roman DIE GEISEL DES LÖWEN ist absolut lesenswert und überzeugt auf mehreren Ebenen.

Wir erleben

  • eine schöne, romantische und auch nicht zu kitschige Liebesgeschichte mit Hindernissen.
  • eine spannende und mächtige dunkle Seite mit vielen Bedrohungen und Rückschlägen.
  • eine Gesellschaft, die kulturell, religiös und politisch unglaublich divers war und die man gerne selbst erleben würde.

Aufgrund der beiden kleinen Kritikpunkte zu Amras Charakter und der zeitlichen Einordnung von Perspektivsprüngen, gebe ich sehr gute 4 von 5 Sternen.
Lassen Sie sich entführen und werden Sie selbst zu einer GEISEL DES LÖWEN.