Rezension

Schöne und ergreifende Poesie des Lebens

Ein Winter in Paris - Jean-Philippe Blondel

Ein Winter in Paris
von Jean-Philippe Blondel

Bewertet mit 5 Sternen

Schöne und ergreifende Poesie des Lebens

Ein Winter in Paris - Jean-Philippe Blondel 

Victor ist ein Jüngling, für ein Studium in Paris hat er der Provinz den Rücken zugekehrt, um sich in ein lehrhaftes, neues Leben zu stürzen, denn ursprünglich kommt er aus einfachen Verhältnissen und diese möchte er nicht beibehalten, er hat andere Pläne. In der Uni gibt es nicht viel zu lachen, alles wird äußerst sachlich behandelt und jegliche Empathie scheidet aus.
Für seine Kommilitonen wirkt Victor wie ein Geist, der sich unauffällig in ihrer Mitte bewegt, für sie ist er nahezu unsichtbar, doch genauso fühlt er sich auch. Als das erste Jahr vorüber ist, lernt Victor jedoch Mathieu kennen, ein Einsteiger in der ersten Klasse, ein neuer an der Uni. Sie verstehen sich gut, ausreichend, um gelegentlich zusammen eine Zigarette zu rauchen. 
Als der Druck an der Uni die Überhand gewinnt, wird es Victors einzigen Verbündeten zuviel und er entscheidet sich für eine Tat mit drastischen Folgen, Mathieu nimmt sich das Leben. Victors unscheinbare Gestalt entwickelt sich unausweichlich zum Blickfang, als einziger Freund des Opfers bekommt er plötzlich Aufmerksamkeit und während das eine Leben endet, nimmt das seinige eine derartige Wende an. Doch nicht nur seine Studiengenossen interessieren sich für ihn, auch Mathieus Vater tritt in sein Leben und zwischen ihnen entwickelt sich eine besondere Beziehung, die er mit seinem eigenen Vater niemals hatte. 

Es ist ein Buch, für das man sich Zeit nehmen sollte, für das Geschriebene ist es wichtig, dass man es auf sich wirken lässt. Ich konnte in "Ein Winter in Paris" sehr viel Poesie erkennen und in mich aufnehmen, ich war davon wirklich geflasht! 
Ich habe mich vorest durch dieses wunderschöne Cover zu diesem Buch hingezogen gefühlt. Es erweckte eine Art von Sehnsucht in mir, die ich mir nicht erklären konnte. Es hatte keine Gründe, es war auch nicht der Klappentext, der mich gereizt hat, sondern schlichtweg das Cover. Im laufe meiner Lesestunden wurde mir bewusst, dass es irgendwie Schicksal hat sein müssen, dass ich dieses Buch lese, es gab einen Selbstmord in meiner Familie und es konnte mir sehr viel wiederspiegeln, vielleicht sogar helfen, ich habe mich endlich mehr damit auseinandergesetzt. 
Die Geschichte erzählt in der Ich-Perspektive von Victor, dabei befinden wir uns sehr viel in der Gedankenwelt des Protagonisten. Die Lage war melancholisch, so vertraut und doch so fremd. Schön und bedrückend. Der Schreibstil war großartig, bisher hatte ich nie etwas vergleichbares gelesen. Kombiniert mit dem Protagonisten hat dieser zu hundert Prozent gepasst, besser hätte es der Autor für mich nicht hinbekommen können. Ich konnte Victor richtig fühlen, sein Inneres war nahezu greifbar. Für mich war er ein ganz besonderes Wesen, ein Träumer. Ich war gefesselt von seiner Denkweise, von seinen Ansichten und seiner Selbstreflexion. Dieser Mensch war durchaus eigen. »Entschlossen und zartbesaitet, eine komische Mischung« S.177 - zutreffend! Jean-Philippe Blondel hat Textpassagen hingeblättert, die mich umgehauen haben, diese Vergleiche mit den Fakten der Realität wirkten magisch auf mich, sie waren wunderbar formuliert. Der Aufbau hat mir ebenso gut gefallen, nachdem alles sehr sonderbar war, konnte ich fast nichts vorhersehen, einige Entscheidungen von Victor waren ziemlich überraschend. Bis zum Ende konnte mich dieses Buch erreichen und faszinieren. Der Abschluss hat diese Geschichte komplett abgerundet und zu einem Ganzen gemacht. 
Ich habe "Ein Winter in Paris" mit einem lachenden und mit einem weinenden Auge verlassen. 
Es ist für mich ein 5-Sterne Buch und daher absolut empfehlenswert.