Rezension

Schöner historischer Roman!

Das Erbe der Altendiecks - Hendrik Lambertus

Das Erbe der Altendiecks
von Hendrik Lambertus

Als Frauen noch nicht Uhrmacherinnen werden durften...

Henrik Lambertus hat mit seine Familiensage „Das Erbe der Altendiecks“ seinen ersten historischen Roman geschrieben. Man merkt deutlich, dass es dem Autor Spaß gemacht hat, seine Figuren zu „entwerfen“ und auch die äußerst gründliche und vermutlich umfangreiche Recherchearbeit.

Wir begleiten die Bremer Uhrmacherfamilie von 1776 – 1848, die Hauptprotagonistin Gesche ist bei Beginn 10 Jahre alt. Gesche hat den großen Wunsch – genau wie ihr Großvater, ihr Vater und ihr älterer Bruder – das Uhrmacherhandwerk zu erlernen: „Räder und Werke, Kräfte und Übertragungen – für Gesche klang das alles wie Zauberformeln, über die ihr Großvater gebot.“ (S.14) Aber Gesche darf nicht Uhrmacherin werden, dies bekommt sie von ihrer Schwester gnadenlos mitgeteilt: „Höchstens eine Frau Meisterin, wenn Du einen Uhrmacher heiratest und ihm den Haushalt führst.“ (S.82) Wie gut für Gesche, dass ihr Großvater ihr – von der Familie nicht besonders beachtet – sein ganzes Wissen der Uhrmacherkunst vermittelt und Gesche saugt Wort für Wort auf...

1776 verliert Familie Altendieck durch Neid und Missgunst ihr Ansehen in der bremischen Gesellschaft, der ältere Bruder muss sogar außer Landes flüchten, die Familie verarmt. Trotzdem verliert Gesche niemals ihren Wunsch aus den Augen, die Familientradition weiterzuführen und eine ganz besondere Uhr zu erfinden. Und natürlich die Uhrmacherwerkstatt weiter zu betreiben! Dafür opfert sie sogar ihr persönliches Glück. Sie wird hart gegen sich und andere...

Außer Gesche spielt im 2. Teil des Buches ihr Sohn Nicolaus eine wichtige Rolle: er unterscheidet sich sehr von seiner Mutter (das väterliche Erbe schlägt bei ihm durch), aus seiner Sicht erleben wir u.a. die napoleonische Besatzung Bremens, sein Hadern mit der Uhrmacherkunst, seine Sorgen und Ängste, aber auch seine Hoffnungen und Träume...

Aber mehr soll hier über die weitere Geschichte nicht geschrieben werden...

Der Autor lässt uns Leser*innen tief in die Geschichte eintauchen, sei es weltpolitisch (z.B. Napoleons Kriege in Europa), sei es lokalpolitisch (z.B. der bewaffnete Widerstand gegen die französische Besatzung an der Wesermündung). Wir erfahren auch viel über das Leben, die Sitten und das Brauchtum der damaligen Zeit in der Hansestadt Bremen. Der Autor schreibt lebendig und mitreißend, so dass ich manche Ereignisse nicht nur sehen und hören, sondern förmlich direkt riechen konnte... Der Schreibstil animiert zum „Eintauchen“ in die Geschichte, manchmal fühlte ich mich in das historische Bremen „gebeamt“...

Das Buch ist in vier Teile aufgeteilt: 1766, 1775, 1833 (jeweils mit Stammbaum der Altendiecks) und ein Epilog. Zwischen den Teilen liegen Zeitsprünge, an die ich mich aber relativ schnell gewöhnen konnte. Ein ausführliches Glossar rundet die Geschichte perfekt ab.

Ich habe Familie Altendieck über 100 Jahre in allen Höhen und Tiefen (und über 626 Seiten) begleitet, der Abschied fiel mir schon etwas schwer...Aber ich habe unsere gemeinsame Zeit  genossen und denke, ich kann es Liebhaber*innen von historischen Romanen sehr empfehlen!