Rezension

Schönes Buch über einen Antiheld der viele offene Fragen zurücklässt

Knapp am Herz vorbei - J. R. Moehringer

Knapp am Herz vorbei
von J. R. Moehringer

Bewertet mit 4 Sternen

Dieses Buch hat den Weg in meine Hände gefunden, da ich vor Jahren bereits "Tender Bar" von dem Autor gelesen habe. Als ich jetzt den Namen J.R. Moehringer las, machte mich dies hellhörig und nach einem Blick auf den Inhalt war die Sache klar: Das Buch musste ich lesen.

Die Geschichte spielt zu Beginn des 20 Jhd. Willie Sutton wächst in Irish Town, einem New Yorker Stadtteil, als Junge irischer Einwanderer unter ärmlichen Verhältnissen auf. Er wird von seinen älteren Brüdern gehänselt und findet Bald Freunde in Eddie und Happy, die ebenfalls in seinem Stadtteil wohnen. Er lernt seine erste große Liebe Bess kennen und gerät bald auf die schiefe Bahn. Dies ist erst der Anfang seiner Ganovenlaufbahn. Er landet als berühmter Bankräuber immer wieder im Gefängnis und schafft es auch mehrmals aus diesen auszubrechen.

Der Roman beginnt 1969 zu Willies 68. Lebensjahr. Er wird gerade auf Grund guter Führung aus dem Gefängnis entlassen. Auf Grund eines Deals, den seine Anwältin ausgehandelt hat, verbringt er seinen ersten Tag in Freiheit mit einem jungen Reporter und dessen Fotografen-Kollege. Die beiden sollen für ihre Zeitung die brandheiße Story über Willie „The Actor“ Sutton und dessen letzten Coup liefern. Stattdessen nimmt Willie die Beiden mit auf eine Tour durch sein persönliches New York und die Geschichte seines Lebens.

Der Autor wechselt innerhalb des Romans die Perspektive. Es gibt den Erzählstrang der Weihnachten 1969 spielt und die Reporter und Willie auf dem Weg durch die Stationen seines Lebens begleitet. Dieser Teil lebt von den schlagfertigen Dialogen der drei. Die eigentliche Handlung spielt in der Vergangenheit und erzählt Willies Leben.

Dieser Perspektivenwechsel ist überhaupt nicht störend, sondern fügt sich flüssig in den Romanverlauf ein. Mich hat zu Beginn lediglich gestört, dass die Dialoge nicht eindeutig durch Anführungszeichen kenntlich gemacht sind (jedenfalls in der E-Book Version ist das der Fall). Aber daran gewöhnt man sich schnell, da die genannten Szenen meist nur aus Dialogen bestehen.

Das Ende verdeutlicht, dass sich sein Beiname „The Actor“ nicht nur auf seine Bankraube bezieht, sondern vielmehr sein ganzes Leben zusammenfasst. So schafft Moehringer in diesem Roman eine fiktive Gestalt, die sehr vielschichtig ist und viele Geheimnisse umgibt.

Mir hat dieser Roman ausgesprochen gut gefallen. Es ist eine spannende Geschichte, die u.a. in den schillernden 20er Jahren spielt, dabei aber die Depression und das Leben der ärmeren Bevölkerung thematisiert. Willie ist ein liebenswerter Charakter mit vielen Ecken und Kanten, den man unterwegs aber einfach lieb gewinnt und dem man gerne durch sein New York folgt.