Rezension

Schonungslos realistische Szenen einer Ehe

Totalschaden - von Zweigbergk

Totalschaden
von von Zweigbergk

Bewertet mit 3.5 Sternen

Durch romantische Gedanken an einen Kollegen ist Agneta während ihrer Zigarettenpause vom Kochen so abgelenkt, dass das Haus, in dem sie gemeinsam mit Xavier wohnt, in Flammen aufgeht. Totalschaden, so die Versicherung. Zu den Schuldgefühlen, die sie sich schon selbst macht, kommt der Verlust der Erinnerungen, an ihre Kinder, an ihre Ehe mit Xavier. Doch der Brand deckt auch schonungslos die Krise auf, in der die Beziehung der beiden schon lange steckt. Xaviers in Argentinien ermordete Frau Ana und die Tochter Maria, die er mit in die Ehe brachte, empfindet Agneta als unerreichbare Konkurrenz. Xavier sehnt sich plötzlich nach Argentinien zurück, verhält sich rücksichtslos und gefühlskalt Agneta gegenüber. Schließlich werden neue Erkenntnisse gewonnen und am Ende bleibt die Hoffnung, dass ihre Beziehung doch noch kein Totalschaden ist.

 

Meine Erwartungen an „Totalschaden“ waren anders, so dass ich mich erst einmal von der Gefühlskälte und der Schonungslosigkeit der Darstellung überrumpelt fühlte. Geradezu abgestoßen war ich von Szenen im ersten Teil, auf die der Hase auf dem Cover anspielt, so dass ich einige Passagen nur querlesen konnte. Das hat aber mit meinem persönlichen Empfinden und meiner Einstellung zu tun, so dass es anderen Lesern vielleicht nicht so viel ausmacht.

Erst ab der Hälfte des Buchs hatte ich mich mit der Gefühlswelt von Agneta ein wenig mehr arrangiert und im letzten Drittel gefiel mir das Buch sogar gut.

 

Das Buch ist von Agnetas innerem Monolog geprägt, der von Dialogen unterbrochen wird, aber sehr viel wird von ihr interpretiert oder angenommen, so dass man Xaviers Perspektive kaum erfährt. Hier hätte ich mir gewünscht, auch etwas aus seiner Gedankenwelt zu erfahren.

Helena von Zweigbergk schreibt sehr prägnant, sie beschreibt die Beziehungskrise sehr real und scheut sich nicht vor sprachlichen Bildern und Mitteln. Für mich war Agnetas Dauermonolog oft anstrengend zu lesen. Erst als am Schluss besser innerhalb der Familie kommuniziert wird, versteht man, dass viele von Agnetas Annahmen nur Einbildung waren und dass es nicht so weit hätte kommen können, wenn die Beteiligten früher miteinander geredet hätten. Somit bildet „Totalschaden“ das wahre Leben ab, in dem mangelnde Kommunikation in vielen Lebensbereichen immer noch an der Tagesordnung ist.

Das Ende empfand ich als sehr passend, es ist relativ offen, gibt aber Hoffnung.

 

Gut beschrieben fand ich den Schockzustand nach einem Brand, bei dem die Bewohner alles verloren haben, sowie den unterschiedlichen Umgang mit dieser Situation und mit den jeweiligen Erinnerungen.

 

„Totalschaden“ ist kein einfaches Buch, leider sehr real und ehrlich und ich denke, dass es nicht jeden ansprechen wird. Ich habe selber erfahren, dass ich momentan vielleicht nicht in der besten Stimmung für dieses Buch war. Da mein Empfinden sich am Anfang so vom Ende unterschied, vergebe ich zwiegespaltene 3,5 Sterne, aufgerundet auf 4.