Rezension

Schonungslos und kritisch

Underground Railroad - Colson Whitehead

Underground Railroad
von Colson Whitehead

Inhalt: 
In "Underground Railroad" erzählt Colson Whitehead die Geschichte der jungen Cora auf der Flucht hinaus aus der Sklaverei in Richtung Norden. Auf der Randall-Plantage aufgewachsen, ist sie jeden Tag der Gewalt und Willkür der Plantagenbesitzer und Leidensgenossen ausgesetzt. Doch eines Tages kommt Caesar zu ihr und bittet sie mit ihr zu flüchten. Nichts ahnend was ihr bevor steht, entschließt Cora sich dazu ihn zu begleiten und somit in die Fußstapfen ihrer Mutter zu treten. Dabei trifft sie immer wieder auf Menschen, die ihr helfen, aber auch auf solche, die es nicht gut mit ihr meinen. Doch sie wird auch Passagierin eines Zuges, der sie in eine Zukunft in Freiheit zu transportieren vermag. 

Cover und Aufmachung: 
Ein auf den ersten Blick so wunderschönes Cover mit einer sehr passenden Schriftauswahl, welches ein Hingucker in jeder Buchhandlung werden wird. Doch schaut man es genauer an, zeigt es ein einfaches kleines Holzhaus, möglicherweise auf einer der Plantagen. Der Sternenhimmel könnte für die dunkeln Zeiten Amerikas stehen, aber womöglich sollte man den endlosen Himmel und die hellen Sterne besser als ein Symbol für Freiheit und eine aussichtsreiche Zukunft betrachten, welche Cora bevorstehen könnte. Vielleicht aber auch nur als eine Nacht, in der eine junge Frau all ihren Mut aufbringt und sich zur Flucht entscheidet. 
Ich empfinde das Cover, als auch den Satz als sehr gelungen. 

Meine Meinung: 
In "Underground Railroad" berichtet Colson Whitehead schonungslos, was Cora auf ihrer Flucht zustößt und auch, was ihr in ihrer Vergangenheit widerfahren ist. Er beschönigt nichts und spricht neben der Versklavung der farbigen Menschen, auch den Mord und die Vertreibung der Ureinwohner an. All seine Worte sind so gewählt, dass man sie auch in die heutige Zeit übertragen kann, womit er offen Kritik an der derzeitigen Situation und der Vergangenheit der Vereinigten Staaten ausübt. 
Als Metapher für das als "Underground Railroad" bezeichnete Hilfsnetzwerk, welches real existierte, lässt er seine Protagonistin mit einem Zug von Station zu Station reisen. Und jede dieser Stationen hält ganz neue Eindrücke und Gefahren für Cora bereit. 
Zwischen den Staaten-Kapiteln sind immer wieder Kapitel über verschiedene Personen angebracht. Anfangs war dies verwirrend, doch im Nachhinein betrachtet, fügen diese sich gut in die Geschichte ein. 
Whitehead hat einen sehr besonderen, einprägsamen, doch ebenfalls anspruchsvollen Schreibstil, wodurch immer ein paar Seiten nötig waren, um diesem wieder folgen zu können. 
Der Mittelteil war eher zähflüssiger und kann wohl als Ruhe vor dem Storm bezeichnet werden, denn die letzen einhundert Seiten sind noch einmal sehr nervenaufreibend, vor allem das Ende ist aufwühlend und emotional. 
Das Buch erinnert an einen Bericht. Es enthält überwiegend Schilderungen und wenig Gesprochenes zwischen den Charakteren. Teilweise zogen sich Absätze damit doch sehr in die Länge. Dies gleicht Whitehead mit seinem bereits erwähnten Schreibstil und seinem großartigen Sprachgefühl aus und scheint immer die richtigen, vor allem tiefgründigen, Worte zu finden. Sowohl für Kritik... 
"Geraubte Körper bearbeiteten geraubtes Land" (S. 138) 
...als auch für hoffnungsvolle Szenen. 
"Mag sein, dass wir den Weg durch den Wald nicht kennen, aber wir können einander aufhelfen, wenn wir hinfallen, und wir werden gemeinsam ankommen." (S. 327) 
Noch nie habe ich in einen Buch so viele Stellen markiert, die mich berührt und nachdenklich gemacht haben. 
Colson Whitehead hat mit seinem Buch einen gut recherchierten, mit viel eigener Kreativität angereicherten, gesellschaftskritischen Roman verfasst. 

Fazit: 
Hemmungslos erzählt Whitehead von der Flucht der jungen Cora, übt Kritik am Staat und begeistert mit seiner Wortwahl. Ein gelungener Roman der nachwirkt und beschäftigt. Das Buch erhält von mir 4,5 von 5 Sternen.