Rezension

Schräg, schräger, „American Gods“ ​

American Gods - Neil Gaiman

American Gods
von Neil Gaiman

Bewertet mit 3 Sternen

Inhalt
Shadow wird nach einigen Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen. Doch statt der lange erwarteten Rückkehr zu seiner Frau Laura trifft er auf einen seltsamen Mann namens Wednesday, der alles über ihn zu wissen scheint und möchte, dass Shadow für ihn arbeitet. Bald schon bemerkt Shadow, dass nicht alles in Wednesdays Umgebung mit rechten Dingen zugeht und er zum Spielball eines riesigen Konfliktes geworden ist.

Meinung
Ich hatte ehrlich gesagt überhaupt keine Vorstellung davon, worum es in „American Gods“ gehen könnte und ehrlich gesagt kann ich auch nach dem Lesen noch nicht hundertprozentig sagen, in welches (Sub)Genre ich das Buch einordnen würde. Es enthält Fantasy- aber auch Science Fiction-Elemente, es spielt auf Mythen und Legenden an und erzählt doch seine ganz eigene Geschichte.
Doch trotz der tollen Ideen, die Neil Gaiman hier auffährt, konnte mich der Roman nicht vollständig überzeugen.
Die Idee, die hinter „American Gods“ steckt und erst dann richtig klar wird, als man schon einige Zeit gelesen hat und mitten in der Handlung steckt, finde ich sehr originell und gelungen.
Wie der Titel schon verrät, hat sich Gaiman von Göttern inspirieren lassen, interessanterweise jedoch nicht nur von den mittlerweile altbekannten griechischen und nordischen. Auch die Götter und Legenden afrikanischer, germanischer, asiatischer und Native American Kulturen werden vorgestellt und spielen eine Rolle. Das hat zwar zur Folge, dass man viele davon beim Lesen nicht erkennt, da ihre Namen oft nicht direkt genannt und/oder ihre Herkunft nicht erklärt wird, ist jedoch auch sehr interessant und bringt eine tolle Portion Diversität in das Buch.
Der Aufbau des Buches ist zunächst ein wenig gewöhnungsbedürftig, denn neben der Handlung um Shadow, die alleine schon zunächst sehr verwirrend ist, werden auch häufig Kapitel eingestreut, die mit „Coming to America“ oder „Somewhere in America“ überschrieben sind. Nach einer Weile wird klar, dass die Idee dahinter recht faszinierend ist: Letztere beschreiben die Situation diverser Götter im heutigen Amerika, erstere wiederum erzählen die Geschichten von Menschen, die ihre Religion und ihre Legenden mit in die USA brachten. Diese Beispiele umspannen viele Jahrhunderte von den Wikingern bis zu einem Händler in der Gegenwart.
Nicht so ganz warmgeworden bin ich mit dem doch sehr gemächlichen Einstieg in die Handlung rund um Shadow. Möglicherweise lag es an der Verwirrung, die die ersten Kapitel vermutlich absichtlich auslösen, doch ich hatte das Gefühl, dass es sehr lange dauerte, bis die Handlung in Fahrt kam. Auch zwischendurch gab es immer wieder Passagen, die ich als eher langatmig empfunden habe, während ich lange darauf warten musste zu verstehen, worauf das Buch eigentlich hinauswill. Dafür war der Twist gegen Ende des Buches in meinen Augen ziemlich überraschend und gelungen.
Die Figuren in „American Gods“ kann man wohl am ehesten als schräg bezeichnen. Da er die Hauptfigur ist, bekommen wir hauptsächlich die Gedanken und Gefühle von Shadow mit. Dieser verwirrte mich häufig, da er zwar eine Menge Dinge fühlt und denkt, nach außen hin aber oft sehr unberührt und abgehalftert wirkt. Seine pragmatische, unbeeindruckte Art machte ihn jedoch auch cool und sympathisch und hatte eine gewisse Komik in sich, besonders angesichts der vielen exzentrischen Personen, denen er im Laufe des Buches begegnet.
Dass Wednesday eine ungewöhnliche Person ist, bemerkt man schnell, und obwohl man ihn bis zum Ende nicht durchschaut, unterhält er mit seiner scheinbar sorglosen, unverschämten Art und den vielen Betrügereien ziemlich gut. Wednesday ist definitiv für einen großen Teil des bösem Humors im Buch verantwortlich.
Auch einige der Nebenfiguren sind, selbst wenn sie nur kurze Auftritte haben, erstaunlich gut ausgearbeitet. Sam beispielsweise war mit ihren frechen Sprüchen auch immer einen Lacher wert.
Während ich Neil Gaimans humorvolle Art zu schreiben ansonsten sehr schätze, gab es einen Aspekt seines Schreibstils, der mich irritierte, fast sein störte. Aus für mich unerfindlichen Gründen konzentrieren sich erstaunlich viele der Beschreibungen in „American Gods“ auf das Urinieren oder die Penisse von Figuren, auch in absolut nicht sexuellen Situationen. Abgesehen davon, dass ich diese Beschreibungen teilweise unschön und vulgär fand, habe ich nicht verstanden, wieso es beispielsweise relevant ist, den Penis eines Mannes zu beschreiben, der gerade gehängt wird.

Fazit
„American Gods“ basiert auf einer faszinierenden Idee und unterhält durch den bösen Humor, die schrägen Figuren und die interessanten eingewobenen Mythen und Legenden. Allerdings brauchte ich auch lange, um in das Buch reinzufinden und zu verstehen, worum es geht, und empfand es zwischenzeitlich als langatmig.