Rezension

Schuld und Sühne

Natchez Burning - Greg Iles

Natchez Burning
von Greg Iles

Bewertet mit 4 Sternen

Jede Menge alte Verbrechen, die aufgeklärt werden sollen, jede Menge Ungerechtigkeiten durch Rassendiskriminierung, jede Menge Korruption, jede Menge Verstrickungen in Schuld und dazu ein paar Libeleien – das braucht es schon bei einem Wälzer von 1000 Seiten. Und das hat Greg Iles’ “Natchez Burning” alles zu bieten.

Das zentrale Thema von “Natchez Burning” sind Morde, die von einer Splittergruppe des Ku-Klux-Klan, den Doppeladlern, vor 40 Jahren begangen wurden. Und je älter die Mörder von damals werden, umso mehr heftet sich der Journalist Henry an ihre Fersen. Wer nichts mehr zu verlieren hat, legt ja vielleicht seine Lebensbeichte ab? Doch die alten Seilschaften scheinen noch zu funktionieren – nach und nach sterben alle, die sich auf ein Interview mit Henry einlassen. Aber wer hat die schwer schwer kranke Viola umgebracht? War es Sterbehilfe ihres früheren Geliebten? Oder doch ein Racheakt der Doppeladler?

Greg Iles gelingt es in seinem Buch, ein Dickicht unterschiedlicher Personen und Handlungen zusammenzustellen, das unentwirrbar wirkt. Selbst wer auf welcher Seite steht, ist nicht immer eindeutig zu bestimmen. Immer wieder nimmt die Handlung unerwartete Wendungen, und selbst wenn man über die Hälfte des Buches hinter sich hat, tauchen doch noch neue Figuren auf.

Durch die aktuellen Rassenunruhen in den USA ist das Buch leider wieder sehr aktuell geworden. Allerdings, muss man sagen, wird in dem Buch weniger nach Ursachen von Rassendiskriminierung geforscht –  ein politisches Buch ist “Natchez Burning” in keiner Weise. Es ist vielmehr ein Roman, der die Frage nach Schuld, Verantwortung und Sühne aufwirft – vor dem Hintergrund von Rassenhass und Rassendiskriminierung. Die politischen Anspielungen, wie etwa dass die Morde an John F. Kennedy oder Martin Luther King die Doppeladler für sich reklamieren, wirken eher aufgesetzt als dass damit ein politisches oder gesellschaftliches Statement verbunden wäre.

“Natchez Burning” ist ein spannendes Buch mit äußerst lebendigen und teilweise recht kantigen Hauptpersonen. Aber wenn in einer ARD-Vorabendserie pensionierte Polizisten wieder ermitteln – warum nicht auch Rentner auf geheime Missionen schicken? Auch Rentner können noch kraftvoll morden :-).

Das einzige, was mir an dem Buch nicht gefallen hat, ist dass sehr vieles über Dialoge erzählt wird – dadurch wirkt die Handlung teilweise recht zäh, wenn dem Leser Bekanntes zum Beispiel in Gesprächen mehrfach aufgegriffen und von Neuem erzählt wird.