Rezension

Schwaben und Schweden

Helle Tage, helle Nächte - Hiltrud Baier

Helle Tage, helle Nächte
von Hiltrud Baier

Bewertet mit 4.5 Sternen

Wenn man ein Geheimnis / eine Lüge nicht mit ins Grab nehmen will, dann muss man sich der Vergangenheit stellen...

Anna Albinger, seit einigen Jahren bereits im Ruhestand, lebt in einer kleinen Stadt am Fuße der Schwäbischen Alb. Sie ist an Krebs erkrankt. Mit dem Gedanken, womöglich bald sterben zu müssen, kommt eine innere Unruhe in ihr auf. Sie lebt und hadert mit einer Lebenslüge, die sie nicht mit ins Grab nehmen will. Sie möchte mit sich und vor allem den Menschen, die ihr wichtig sind, im Reinen sein. Sie bittet ihre Nichte Frederike (Anfang 50 Jahre), um die sie sich seit dem frühen Tod derer Eltern gekümmert hat, einen wichtigen Brief persönlich nach Lappland, einem Frederike unbekannten Petter, zu bringen. Frederike, frisch geschieden und auf der Suche nach einem Neufang, ist zwar wenig begeistert, macht sich aber dennoch mit ihrem roten VW-Bus allein auf den Weg. Jetzt kann sie sich revanchieren; schließlich war es Anna, die für sie seit ihrer Kindheit immer da gewesen ist.

Der Roman "Helle Tage helle Nächte" von Hiltrud Baier ist eine schöne, warmherzige, drei Generationen übergreifende Geschichte. Anna, deren Nichte Frederike und deren Tochter Paula (um die 20 Jahre) werden durch den Brief mit einer aller betreffenden Wahrheit konfrontiert, mit der jede auf ihre Art und Weise fertig werden muss. Allein der Titel verrät, dass der Schwerpunkt der Geschichte nördlich des Polarkreises spielen muss, denn wo sind denn auch die Nächte hell? Der Gegenwarts-Zeitraum erstreckt sich über knapp drei Monate, von Ende April bis Mitte Juni, in dem man viel über die einzelnen Protagonisten und ihr soziales Umfeld erfährt. Der Roman wird abwechselnd aus der Sicht von Anna und Frederike erzählt, so dass man beiden Personen in ihrem Denken, Handeln und Fühlen sehr Nahe ist. Um die Gegenwart zu verstehen, gibt es auch immer einen Exkurs in die Vergangenheit, was dem Roman eine beeindruckende Tiefe verleiht und die Personen sehr lebendig wirken lässt.
Diese Vielschichtigkeit des Romans macht ihn realistisch, man kann sich in jede Person hineinfühlen. Der Schreibstil ist einfach gehalten, aber das macht ihn zu einer (sommer-)leichten Lektüre, die man gut und unbeschwert im Urlaub lesen kann. Der Roman macht Lust auf Lappland; schließlich fühlt/spürt man beim Lesen die atemberaubende Weite Lapplands, die Hiltrud Baier aufgrund ihrer Landeskenntnis extrem gut beschreibt.
Ich könnte mir eine Verfilmung des Buches gut vorstellen, da die Geschichte von menschlichen Charakteren, aber auch von landschaftlichen Schönheiten - sei es Schweden oder der Schwäbischen Alb - lebt.
Eine Geschichte, die zum Nachdenken über die Bedeutung von Lüge und Wahrheit anhält.
Zum Entschleunigen und Entspannen absolut geeignet!