Rezension

Schwache Charaktere, aber ein umso stärkerer Handlungsvorgang. Hier kann so mancher Stalker und Teilzeitpsychopath noch etwas lernen.

Zenissimos Jagd - Sabine Ibing

Zenissimos Jagd
von Sabine Ibing

Bewertet mit 3 Sternen

Rezension:

Obwohl ich das Cover von Sabine Ibings “Zenissimos Jagd” zwar passend, aber nicht besonders schön finde, hatte ich schon länger sehnsüchtig darauf gewartet, dass das Buch endlich erscheint. In der ersten Hälfte des Jahres hatte mir die Autorin von der Geschichte erzählt, und die Beschreibung im Klappentext versprach Spannung – was während des Lesens auch im Grunde bestätigt wurde.

Erzählt wird aus der dritten Person, wobei der Augenmerk auf einer Handvoll Protagonisten liegt. So ist der Leser der einzige, der das komplette Bild sehen kann, welches sich aus dem ergibt, was der Psychopath Jeremias plant und umsetzt, und dem, wie sich seine Taten bei die Leidtragenden auswirken.

Es geht darum, dass Jeremias von Carina abserviert wurde, was den krankhaft stolzen Mann zutiefst kränkte. So kommt ihm der Zufall entgegen, als er seine Exfreundin mit ihrem neuen Freund und ihrem Bruder mit seiner Frau Laura auf Teneriffa sieht. Kurzerhand freundet er sich mit Laura, die auf der Insel viel Zeit allein verbringt und die ihn nicht persönlich kennt, an und sein Racheplan entwickelt sich rasend schnell. Zurück in Deutschland schafft er es, die Wohnungen der beiden Paare heimlich mit Überwachungsgeräten auszustatten und sich so in deren Leben einzuklinken.

Am meisten fesselte mich, was Jeremias sich alles einfallen lässt, um Carina unerkannt zu terrorisieren. Es ist beängstigend und faszinierend zugleich, wenn man sich vorstellt, wie einfach es theoretisch ist, in ein Leben einzudringen, ohne dass der andere etwas davon merkt. Doch das bloße Ausspionieren reicht Jeremias nicht – er geht weiter, beginnt Herr über Leben und Tod zu werden und zerstört somit systematisch das Leben seiner Exfreundin. Als er ihr auch noch ein ernstes Verbrechen anhängt, bricht Carinas Leben endgültig in sich zusammen.

Klingt soweit gut – allerdings gab es eine Sache, die mich an der Geschichte gestört hat: die Charaktere. Eigentlich ist das gar nicht möglich – als Leser schlägt man sich ja meist auf eine Seite – aber ich fand in “Zenissimos Jagd” keine einzige Person sympathisch. In der oberen Gesellschaftsschicht angesiedelt wirkten die Hauptpersonen auf mich naiv und dümmlich, ohne ernsthafte Probleme – alà ‘von Beruf Sohn/Tochter’. Man kann als Leser in den Charakteren keine Tiefe entdecken, im Mittelpunkt stehen Jeremias Taten. Es ist schlimm, was mit Carinas Leben geschieht, aber wirkliches Nahe ging mir ihr Schicksal nicht.

Wenn man es aber schafft, über die schwachen Charakter der Personen hinwegzusehen, findet man sich in einer wirklich fesselnden und faszinierenden Geschichte wieder. Ein Thriller der ohne blutiges Gemetzel Eindruck hinterlässt.