Rezension

Schwache Richelle Mead

Soundless - Richelle Mead

Soundless
von Richelle Mead

„Soundless“ spielt in einem Dorf hoch oben auf einem Berg, das durch einen Steinrutsch von der Außenwelt abgeschnitten ist. Es ist unmöglich, Essen anzubauen, da es kein fruchtbares Land dort oben gibt. Nur eine Seilbahn verbindet das Dorf mit dem „Keeper“ am Fuße des Berges, der die Bewohner im Austausch für edle Metalle mit Nahrung versorgt. Jeder Bewohner des Dorfes ist taub. Nur noch in Büchern ist dokumentiert, wie es war, hören zu können. Keiner weiß, wie es dazu kam, aber jeder hat sich mit dem Schicksal abgefunden. Es gibt drei „Jobs“ im Dorf: Künstler, die das tägliche Geschehen für die Bewohner mithilfe von Kalligraphie festhalten, Bergarbeiter, die die Metalle abbauen und Versorger, die das Essen unter den Bewohnern verteilen. Fei, die Protagonistin, ist die begabteste Künstlerin in Ausbildung. Als plötzlich einige Leute erblinden, und auch ihre Schwester Zhang Jing kurz davor ist, und das Dorf mit immer weniger Nahrung versorgt wird, beschließt Fei, etwas unternehmen zu müssen und wagt die halsbrecherische Reise an den Fuß des Berges.

Meinung:

Am besten an diesem Buch hat mir gefallen, dass die Geschichte in einer Welt ohne Gehör stattfindet. Gespräche finden nur durch Gebärdensprache statt, was in dieser Geschichte etwas ganz normales ist, da es niemand anders kennt. Dadurch ist das Bewusstsein der Leute ein ganz anderes, man muss sich wirklich ansehen, um miteinander kommunizieren zu können. Das birgt natürlich große Gefahren, vor allem für die Bergarbeiter, die ihre Kollegen nicht vor herabfallenden Steinen warnen können. Das ist auch der Grund, warum sich bisher niemand den Berg herunter gewagt hat, um nachzusehen, was es außerhalb des Dorfes noch gibt: Niemand kann Lawinen hören. Zusätzlich zum Gehör verlieren viele Dorfbewohner, vor allem Bergarbeiter, auch ihre Sehkraft. Dadurch kann weniger Metall gefördert werden, wodurch es weniger Essen gibt und die Leute noch mehr hungern müssen als zuvor.

Es wird leider nicht erklärt, warum die Metalle so wichtig für die „Außenwelt“ sind und was es überhaupt damit auf sich hat. Wirklich, es wird absolut nicht erwähnt. Die „Außenwelt“ (ich sage es so, weil ich nicht spoilern will), kommt zwar vor, aber sie bleibt zweidimensional und leblos. In den meisten Geschichten erfährt man, welches Motiv der Antagonist hat, aber nicht hier. Es wird einfach vom Leser erwartet, dass er es so hinnimmt.

Das Dorf selbst ist wie eine kleine Seifenblase, man weiß nicht, was es sonst noch gibt. Gut, man erfährt im Laufe des Buches, dass es eine Stadt gibt und ein weiteres Dorf wie das von Fei, aber das ist alles. Wo die Geschichte spielt, in welchem Zeitalter o.ä. wird nicht erwähnt. Wenn die Charaktere keine chinesischen Namen hätten und das Mädchen auf dem Cover nicht asiatisch aussähe, wüsste ich nicht mal, dass das ein Buch über chinesische Mythologie ist, da sie einfach nicht vorkommt. Das Buch könnte in jedem beliebigen Land spielen zu jeder beliebigen Zeit, da ist nichts chinesisch dran :/ Am Ende kommt zwar eine chinesische Sagengestalt vor, aber das hat etwas gezwungen gewirkt, als müsste man noch schnell etwas Chinesisches einbauen.

Die Hierarchie des Dorfes hat für mich absolut keinen Sinn gemacht. Die Künstler, die nur das tägliche Geschehen dokumentieren, bekommen am meisten Essen und die Bergarbeiter, die tatsächlich dafür verantwortlich sind, dass sie Essen bekommen, und am härtesten arbeiten, bekommen am wenigsten. Versteht das jemand?! Ich nicht. Der Gedanke ist mir das ganze Buch über im Kopf herumgeschwirrt und hat das Leseerlebnis ein wenig ruiniert. Auch verstehe ich nicht, warum es dort keine Ärzte gibt. Es verletzten sich oft genug Leute, aber den Job „Arzt“ gibt es nicht. Total seltsam.

Fei, die Protagonistin, ist sehr ruhig und verantwortungsbewusst. Sie hat sich damit abgefunden, dass sie den nach ihr begabtesten Künstler heiraten wird, obwohl sie eigentlich ihren Jugendfreund Li Wei liebt, der in der Mine arbeitet. Fei sorgt sich sehr um ihre untalentiertere Schwester Zhang Jing, die nur wegen ihrer Schwester bei den Künstlern aufgenommen wurde, und bessert oft unbemerkt ihre Bilder aus.

Li Wei ist es, der sie „wachrüttelt“ und den Gedanken in ihren Kopf setzt, dass es so nicht weiter gehen kann. Zusammen wagen sie den Weg nach unten, denn wenn es eine schaffen kann, ist es Fei: Sie kann plötzlich nämlich wieder hören.

Eines Nachts hatte Fei einen Traum und als sie aufgewacht ist, hatte sie ihr Gehör wieder. Fei ist natürlich überwältigt von den vielen neuen Sinneseindrücken und versucht anhand von Büchern herauszufinden, was die Geräusche bedeuten. Dieser Teil wurde sehr schön und bildlich beschrieben, finde ich. Ich habe richtig mitfühlen können, wie schwer es für Fei sein muss, plötzlich hören zu können und von dem ganzen Lärm von Kopfschmerzen geplagt zu sein. Auch das „Herantasten“ an einzelne Geräusche, wie Klatschen oder nachgebendes Holz, fand ich sehr realistisch. Allerdings weiß ich natürlich nicht, wie das in Wirklichkeit für jemanden ist, der gerade wieder sein Gehör gefunden hat. Mir ging es ehrlich gesagt ein klein wenig zu schnell, sie konnte bald die meisten Geräusche zuordnen. Aber ich kann das nicht wirklich beurteilen.

Die Beziehung zwischen Fei und Li Wei fand ich gut, da sie sich nicht zu schnell entwickelt hat. Beide haben „unfinishes business“ miteinander, aber sie können sich aufeinander verlassen und wachsen mit ihren Abenteuern. Beide sind eigentlich grundverschieden - Fei ist die ruhige und bedachte Künstlerin, Li Wei ist der impulsive Macher-Typ. Trotzdem haben sie viele gemeinsam und sie ergänzen sich gut. Dennoch steht für Fei ihre Schwester an erster Stelle, was ich sehr schön fand.

Das Buch soll ja angeblich ein Fantasy-Buch sein, aber davon gab es nur wenig. Es gibt seltsame Puder, die magisches Zeug bewerkstelligen können, aber es wird nicht erklärt, was das für Puder ist und warum es so magisch ist. Aber selbst das kommt nur zwei- bis dreimal vor. Der einzige richtige Fantasy-Aspekt ist die chinesische Sagengestalt, aber ich habe ja oben schon erwähnt, dass der Teil etwas gezwungen und fehl am Platz gewirkt hat, wenn alles andere realistisch ist.

Das Ende hat sich einigermaßen rund angefühlt. Ich habe mit den Dorfbewohnern mitgefiebert und auf ein gutes Ende gehofft. Auch hier hat natürlich vieles wieder keinen Sinn gemacht, aber ich war trotzdem zufrieden, wie alles ausgegangen ist. Auch wenn das Dorf immer noch eine Seifenblase ist.

Alles in allem ist "Soundless" eine nette, kurzweilige Wohlfühl-Geschichte für zwischendurch, deren Logik man einfach nicht hinterfragen sollte. Wer aber World Building und tatsächliche chinesische Folklore und Magie sucht, und Wert auf einen tiefgründigen Plot legt, sollte vielleicht lieber die Finger davon lassen. You can do better, Richelle!