Rezension

Schwer verdaulich und absolut lesenswert

Mein Ein und Alles - Gabriel Tallent

Mein Ein und Alles
von Gabriel Tallent

Bewertet mit 4.5 Sternen

Bilder, vor denen man die Augen verschließen möchte. Eine Geschichte, die nicht ungelesen bleiben darf.

Die Halbwaise Turtle kennt nur das Leben mit ihrem egomanischen Vater in der Abgeschiedenheit der Wälder. Sie hat keine Freunde und ist in der Schule eine Außenseiterin. Die körperlichen und brutalen Übergriffe ihres Vaters und gleichzeitig seine abgöttische Liebe halten sie in einem doppelbödigen Abhängigkeitsverhältnis, aus dem es kein Entrinnen gibt. Das scheue und traumatisierte Mädchen kann zu niemanden Vertrauen fassen und versucht, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Doch sie scheitert ein ums ander Mal an der Macht und Durchtriebenheit ihres Vaters, der jeden ihrer Schritte vorauszuahnen scheint. Als sie am Ende sich auch noch für andere verantwortlich fühlt, wächst sie über sich hinaus.

Die einzigartige Sicht durch Turtles Augen, die auch immer wieder ihre dissoziativen Zustände deutlich macht, ist grandios geschildert. Das so gezeigte Leid des Mädchens ist schwer verdaulich und gleichzeitig wächst die Bewunderung vor ihrem Mut und ihrer Leidensfähigkeit.

Die Sprache des Buches ist Turtles Sprache, ihr Blick auf die Welt und das Leben - sehr bildhaft, naturverbunden und manches Mal ordinär und naiv. Die Erzähltung macht ihr Leiden real, gräbt sich in mein Bewusstsein und lässt mich auch nach dem Ende lange nicht los. Jeder Gedankengang ist nachvollziehbar und zeigt brutal und offen Turtles Hilflosigkeit und gleichzeitig die schamhaft wegschauenden Gesellschaft. Es brauch ein bisschen sich einzulesen, dann kann man das Buch nicht mehr weglegen.

Fazit: Schwerverdauliche Kost, die noch lange nachhallt.