Rezension

Schwermütige, aber durchaus lesenswerte Sinnsuche

Niemand verschwindet einfach so - Catherine Lacey

Niemand verschwindet einfach so
von Catherine Lacey

INHALT
Die Amerikanerin Elyria, die Ende zwanzig ist und Drehbücher für Telenovelas schreibt, hat ihr eintöniges, festgefahrenes Eheleben an der Seite des 10 Jahre älteren Mathematikprofessors Charles einfach nur satt. Die täglichen Routinen und die mangelnde Kommunikation haben Spuren hinterlassen und Elyria fragt sich: Soll es das schon gewesen sein?

Infolge reist sie spontan nach Neuseeland und sagt ihrer Familie nichts davon. Wird sie hier wieder zurück zu sich selbst finden können?

MEINUNG
Catherine Laceys in Amerika gefeierter Debütroman ist zugleich ein verstörendes wie brutal ehrliches Buch über eine Sinn suchende junge Frau. 

Die Protagonistin Elyria hängt in ihrem bisherigen Leben fest. Daher versucht sie mit ihrem spontanen Neuseelandtrip dem tristen Alltag zu entfliehen. Doch ganz auf sich allein gestellt, läuft ihr Gedankenkarussell permanent auf Hochtouren. Die verkorkste Kindheit, der tragische Tod ihrer Adoptivschwester Ruby und die schwierige Beziehung zu Ehemann Charles lassen sie einfach nicht los. Somit scheitert ihr Versuch, dem Alten zu entfliehen, kläglich. Mehr noch, je weiter sie ins neuseeländische Inland vordringt, desto mehr erkennt sie, dass man vor der eigen Existenz nicht fliehen kann und die Sorgen und unaufgearbeiteten Episoden aus der Vergangenheit immer mitreisen.

Lacey erzählt keine heitere, Hoffnung gebende Geschichte, sondern eine zutiefst pessimistische, gar dunkle Story, die den Leser gerade deshalb mitreißt, weil sie in die seelischen Abgründe des Menschen schaut. Stück für Stück wird man in Elyrias psychischen Teufelskreis aus Ausbruch und Stillstand hineingezogen. Besonders jene Szenen, in denen Lacey Elyria unentwegt über das eigene Sein monologisieren lässt, besaßen Stärke und Tiefe. Denn hier wird der Leser auf eindrückliche Weise mit der Brüchigkeit sowie die Verlorenheit der menschlichen Seele konfrontiert. Kurzum, im Scheitern der Protagonistin Elyria zeigt sich Laceys ganzes literarisches Können. Doch mit der Zeit zog mich die düstere bis melancholisch-depressive Grundstimmung etwas runter, so dass ich einen Stern abziehen möchte. Ein heller, zukunftsweisender Moment hätte es ruhig sein können.

FAZIT
Eine durch und durch schwermütige Frauengeschichte, die vor allem mit ihren dunklen Momenten zu überzeugen weiß. Nicht jedermanns Geschmack, aber literarisch anspruchsvoll und wohl durchdacht.