Rezension

Schwestern

Long Bright River - Liz Moore

Long Bright River
von Liz Moore

Inhalt:

Einst waren sie unzertrennlich, seit fünf Jahren sprechen sie nicht mehr miteinander, doch die eine wacht insgeheim über die andere. Jetzt aber ist die Lage bedrohlich geworden: Mickey, Streifenpolizistin in Philadelphia, findet ihre drogenabhängige Schwester Kacey nicht mehr auf den Straßen der Blocks, die sie kontrolliert und auf denen Kacey für ihren Konsum anschaffen geht.

Gleichzeitig erschüttert eine Reihe von Morden an jungen Prostituierten die von Perspektivlosigkeit und Drogenmissbrauch geplagte Stadt. In ihrem enorm spannenden Roman erzählt Liz Moore die Familiengeschichte von Mickey und Kacey und deren Entfremdung parallel zur Geschichte der Jagd nach einem Frauenmörder, die auch Mickey in große Gefahr bringt. Zugleich entwirft Liz Moore in diesem großen Roman das umwerfend authentische Porträt einer Stadt und einer Gesellschaft in der Krise.

 

Meine Meinung:

Die Autorin Liz Moore war zunächst Musikerin in New York, anschließend begann sie zu Schreiben. „Long Bright River“ ist ihr vierter Roman, jedoch der erste, der ins Deutsche übersetzt wurde. Sie lebt mit ihrer Familie in Philadelphia, und genau dort spielt auch der Roman.

„Long Bright River“ ist ein beeindruckender Roman, der sich schwer in ein Genre einordnen lässt. Teilweise ein Krimi, erzählt er doch gleichzeitig die Geschichte einer zutiefst verwundeten Familie, zudem zeichnet er ein detailliertes Bild vom tristen Leben in den Straßen von Philadelphias berüchtigten Stadtteil Kensingthon, von Drogen, Prostitution und Kriminalität. Tatsächlich nennt man die Kensingthon Aveneu den größten Open-Air-Narkotika-Markt der Ostküste.

Der Schreibstil ist total schön. Die Sprache bewegt sich durchgehend auf hohem Niveau. Liz Moore schreibt intensiv und einfühlsam. Die Personen sind authentisch beschrieben. Ich mochte Mickey und ich mochte auch ihre Schwester Kacey. Ich habe mit beiden gelitten. Was war der Grund für ihr Zerwürfnis? Erst nach und nach erfährt der Leser die dramatische Familiengeheimnisse.

Auf Seite 106 gesteht sich Mickey ein: „Ich drücke mich vor Dingen, die ich mir nicht eingestehen will, wende mich vor allem ab, was ein peinliches Licht auf mich werfen könnte, lauf davor weg, statt mich zu stellen.“

Mickey will nicht, dass alle über sie Bescheid wissen. Sie ist bemüht, ihre Geheimnisse zu bewahren. Sie erweckt gerne den Eindruck, dass es ihr in jeder Hinsicht gut geht, dass sie alles im Griff hat. Uns so schämt sich vor ihrer ehemaligen Lehrerin Ms Powell, die sie zufällig im Supermarkt trifft, dafür, dass sie Streifenpolizistin geworden ist..

Früher war Kacey die fröhliche, schlagfertige kleine Schwester, immer auf Trab, mit überbordender Energie. Was ist geschehen, wie vollzog sich der Wandel, dass sie in eine Welt der Dämmerung abdriftete. In ihrer Jugend waren beide Verbündete. Später hat Mickey Kacey oft dem Tode nahe gesehen. Darunter leidet Mickey, es zerreißt sie innerlich. Erst nachdem der Kontakt zu Kacey abbrach, verbesserte sich Mickeys Leben schlagartig.

Trotzdem sorgt sich Mickey weiter um die kleine Schwester. Die Befürchtung, als die erste Tote in der Kensingthon Avenue gefunden wird, es könnte ihre Schwester sein, ist unvorstellbar hart.

Der Roman bewegt sich zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit. Das Milieu ist ungeschönt gezeichnet. Liz Moore malt schonungslos intensive Genrebilder von Drogensumpf und Kriminalität und legt damit den Finger in eine offene Wunde.

Fazit: Ein großartiger Roman, der den Leser nicht kalt lässt. Mich hat er zu tiefst berührt.