Rezension

schwierige Themen und ein ungewöhnlicher Aufbau

Je tiefer das Wasser - Katya Apekina

Je tiefer das Wasser
von Katya Apekina

Bewertet mit 3 Sternen

Edith und Mae sind Schwestern, sie leben bei ihrer Mutter Marianne, bis sie nach deren Suizidversuch zu ihrem Vater nach New York ziehen müssen. Die beiden erleben die Welt sehr unterschiedlich. Mae hat sich von ihrer Mutter immer eingeengt gefühlt und sieht nun bei ihrem Vater die Möglichkeit, ein neues, freies Leben zu führen. Edith hingegen fühlt sich von ihrem Vater verraten, der sie als Kind verlassen hat, was sie ihm nicht verzeihen kann. Sie buhlte immer um die Aufmerksamkeit ihrer Mutter und versucht sie verzweifelt am Leben zu halten und ihre Liebe erwidert zu wissen.

Die gesamte Familie hat einen Knacks, jede Figur ist getrieben und dieses Getriebensein äußert sich in verschiedenen Formen. Mae will sich von ihrer Mutter befreien und wirft sich dabei doch nur in eine weitere Abhängigkeit, in dem sie versucht, ihrem Vater zu gefallen und seine Liebe zu erhalten. Doch der ist noch immer gefangen in seiner Liebe zu Marianne und sieht in der Tochter nur deren Ebenbild, nicht jedoch das Mädchen, das sie ist. Zwischen den beiden entwickelt sich eine ungute Beziehung denn Mae würde alles tun, um die Zuneigung und Aufmerksamkeit ihres Vaters auf sich zu lenken, selbst wenn sie dafür in die Rolle ihrer Mutter schlüpfen muss. Edith hingegen versucht ihre Mutter zu retten und will nicht wahrhaben, dass ihr dies womöglich nie gelingen wird. Sie hebt Marianne in den Himmel und sieht ihre Schattenseiten nicht, sucht eher die Schuld bei sich oder bei anderen. Doch auch die anderen Familienmitglieder und Figuren haben mit den Schattenseiten des Lebens zu kämpfen und fühlen sich oftmals machtlos.

"Je tiefer das Wasser" ist kein klassischer Roman, es ist viel mehr eine Sammlung von Rückblenden der verschiedenen Figuren, die mitunter an Verhörmitschnitte oder Protokolle erinnern. V.a. in der ersten Hälfte hatte ich das Gefühl, einem Film zu folgen, bei dem Außenstehende versuchen eine lang vergangene Situation nachzuvollziehen. Diesen Stil muss man mögen, mir hat er jedoch gut gefallen. Gerade durch die vielen verschiedenen Blickwinkel wird die Gespaltenheit und Widersprüchlichkeit der Erlebnisse deutlich. Jede der Personen, die zu Wort kommen, hat das Vergangene unterschiedlich erlebt, was ich sehr faszinierend fand. Der Schreibstil war oft sehr klar und nüchtern und hielt mich gedanklich auf Abstand, doch dann gab es wieder Passagen, die wie ein Messer unter die Haut fahren und mich aufweckten und erschütterten. Manches wird nicht ausgesprochen, sondern nur angedeutet und am Ende kann sich der Leser eigentlich bei nichts so richtig sicher sein. Durch die Rückblenden hatte ich auch manchmal das Gefühl, etwas übersehen zu haben, da einige Ereignissen vorgegriffen wird. Dennoch entwickelt es auch irgendwie einen Sog, dem ich mich nicht ganz entziehen konnte. Katya Apekina blickt tief in die menschlichen Abgründe und auf psychische Probleme sowie den Umgang mit diesen. Darauf wird der Leser jedoch nicht wirklich vorbereitet und manches Mal wurde ich überrascht von der Wendung und der Intensität, die ich so nicht erwartet hatte an diesen Stellen. Viele Themen tauchen zunächst unterschwellig auf um dann an die Oberfläche zu brechen und den Leser zu schockieren und verstören. Damit muss man umgehen können, was "Je tiefer das Wasser" sicherlich nicht zu einem Buch für jeden macht und was man vor dem Lesen bedenken sollte.