Rezension

Schwierige Zukunftsvision

Die Markierung -

Die Markierung
von Frida Isberg

INHALT: 

Was passiert, wenn Ideen zu Ideologien gerinnen? Poetisch, scharfsichtig und eindringlich erzählt Fríđa Ísberg von einer Gesellschaft, die per Gesetz Klarheit über Gut und Böse schaffen will.

Island in naher Zukunft. Um die öffentliche Sicherheit zu erhöhen, sind bestimmte Wohngebiete nur noch für sogenannte markierte Menschen zugänglich, deren moralische Vertrauenswürdigkeit durch einen Empathie-Test nachgewiesen wurde. Bei den anstehenden Wahlen wird sich entscheiden, ob die allgemeine Markierungspflicht gesetzlich verankert wird.
Ob die skeptische Lehrerin Vetur, der einflussreiche Psychologe Óli, die Geschäftsfrau Eyja oder der Schulabbrecher Tristan: Egal welchen Hintergrund sie mitbringen und egal, ob sie die gesellschaftlichen Veränderungen befürworten, hinnehmen oder aktiv gegen sie angehen – sie alle geraten in den Strudel der Verwerfungen einer Gesellschaft, deren neue Spielregeln explosive Folgen haben.

REZENSION: 

,,Die Markierung'' ist keinesfalls ein einfach zu bewertender Roman. Es werden so viele Themen  (Markierungspflicht, Drogenabhängigkeit, Platz des Individuums in der Gesellschaft, Straftaten, Fremdgehen, psychische Probleme, Identitätskonflikt,...) angesprochen, dass man als Leser fast schon Notizen machen muss, um alles wirklich abwägen zu können. Nichtsdestrotrotz stellt Fríða Ísberg uns eine sehr mögliche und interessante Zukunftsvision in Aussicht, in der man sich durch einen Empathietest ,,ausweisen'' muss, um in bestimmten Vierteln in Island leben zu müssen. Natürlich wird der Test relativ schnell missbraucht und es ist natürlich öffentlich nicht sehr angesehen, wenn man als Arbeitnehmer den Test nicht machen will oder durchfällt. 

Mich hat vor allem die Idee sehr an ein Konzept in China erinnert, wo man auch sehr danach beurteilt wird, mit welchen Leuten man Freundschaft schließt, welche Institutionen etc. man besucht und auch ein Punkte-System durchgesetzt wird. Da die Geschichte aus vier bzw. später auch mehr Perspektiven erzählt wird, hat man sehr viele kontroverse Blicke auf das Thema. Ich finde, dass macht eine gute Diskussion aus, und das hat Fríða Ísberg definitiv geschafft, denn die Charaktere agieren wie Pro- und Kontra-Argumente und man hat als Leser die Möglichkeit, sich selber eine Meinung zu bilden. Entgegen meiner Erwartung gibt es auch ein halbwegs ,,Happy-End'', dass ich hier aber nicht vorweg nehmen möchte. Ich habe allerdings nach Lektüre des Romans das Gefühl, dass ich ihn, um ihn in aller Tiefe und Argumentation zu begreifen, noch ein zweites Mal mit Stift und Notizzettel lesen müsste, da man auch sehr leicht viele Dinge übersieht. :) 

Man muss aufjedenfall damit zurechtkommen, dass es sich hier um kein einfaches Buch handelt, dass man abends vorm Schlafengehen lesen kann, denn dafür ist es viel zu komplex und auch an einigen Stellen sehr erschütternd und traurig. Jeder, der sich aber auf eine neue, fast auch schon dystopische nahe Zukunftsbeschreibung einlassen möchte, liegt hier bei dem Buch richtig! 

Wichtig: Wer denkt, er erhält hier ein paar Urlaubsaufnahmen und detailreichen Beschreibungen von der isländischen Landschaft, ist hier falsch! Das tut dem Roman aber nichts schlechtes, denn er behandelt sehr aktuelle gesellschaftliche Themen.