Rezension

Science-Fiction-Klassiker, der es in sich hat

Die Perelandra-Trilogie - Clive Staples Lewis

Die Perelandra-Trilogie
von Clive Staples Lewis

Bewertet mit 4 Sternen

Wer sich auf dieses Abenteuer einlässt, weiß nicht, was ihn erwartet. 

Die drei Bücher sind vom Szenario und der Handlung her so krass unterschiedlich, dass es wahrscheinlich schwer wird, Fans zu finden, die alle Bände gleich gut finden. Darauf bezieht sich Lewis auch augenzwinkernd, wenn er das Vorwort zum dritten Band mit den Worten beginnt „Ich habe dieses Buch ein Märchen genannt, damit nicht diejenigen, die keine fantastische Literatur mögen, von den ersten beiden Kapiteln zum Weiterlesen verführt werden und sich dann hinterher enttäuscht beklagen.“ 

Aber was es nun wirklich ist, Märchen, Urban Fantasy, Science Fiction, Dystopie, ... darauf mag man sich auch als heutiger Leser nur ungern festlegen. Lewis sprengte schon in den 40ger Jahren Genregrenzen, die es noch gar nicht gab. Eines ist aber gewiss: Lewis, dem unbedingten Fortschrittsglauben gegenüber höchst kritisch eingestellt und in Sachen Umweltbewusstsein seiner Zeit weit voraus, hat hier eine grandiose Gesellschaftskritik verfasst. Aber vorsicht, das ist noch nicht alles. Die Geschichte ist auch ein Gedankenkonstrukt eines Menschen, der erst wenige Jahre vor der Niederschrift gläubiger Christ wurde, und dies mit Vehemenz. Das Ergebnis dieser interessanten Entwicklung ist zum einen eine erfrischend andere, neue, unprüde, bildreiche, spannende Parabel über das Dasein, zum anderen finden auch andere, nicht-christliche Elemente, zum Beispiel der griechischen Mythologie, Eingang in die Erzählung - noch jetzt bin ich mir unklar, ob die „Götter“ genannten Oyarsa wirklich Götter und nicht doch Erzengel sein sollen. Der Faszination dieses Epos tut das keinen Abbruch. Auch nicht, dass ich persönlich mich nicht mit allen Aspekten der hier dargelegten Lewis‘schen Theologie einverstanden erklären konnte. 

Und wieder so ein Roman, über dessen Inhalt sich nicht viel sagen lässt, ohne zu viel zu verraten. So viel aber schon: der erste Band spielt auf dem Mars, der zweite auf der Venus und der dritte auf der Erde. Die einzige Person, die wir durchgehend in allen drei Bänden antreffen, ist der Philologe Elwin Ransom, der zu Beginn völlig ahnungslos auf den Mars verschleppt wird. Die Absicht seiner Entführer ist es, ihn den dort lebenden Wesen zum Opfer zu bringen, die sie für Ungeheuer halten. Aber dann kommt alles ganz anders ...

Ransom mochte ich sofort. Bin auch mit Rucksack gewandert, ohne zu wissen, wo ich für die Nacht unterkommen sollte. Im ersten Weltkrieg hat Ransom bereits unschöne Dinge erlebt. Und er hat von Anfang an ein gutes Herz. Dennoch wird er im Verlauf der drei Bände noch eine Riesenentwicklung hinlegen.

Lewis ist ein Schreiber, der seine Leser durch immer wieder neue, spannende Ideen, Bilder, Farben zu begeistern weiß. Auch wenn man etwas Sitzfleisch mitbringen muss, weil die eine oder andere Landschaftsbeschreibung oder philosophische Reflektion doch recht ausführlich gerät. Lässt man sich darauf ein, kann so eine farben- und vegetationsreiche Schilderung (besonders auf der Venus) durchaus psychedelische Züge annehmen ... Aber man muss sich immer wieder auch vor Augen halten, dass das Werk in den Dreißiger- und Vierzigerjahren entstand. Damals wurden junge Leser noch nicht so sehr abgeschreckt von ein paar ausladenden Beschreibungen. Und es ist auch gut, dass die Wissenschaft zum Zeitpunkt der ersten Drucklegung noch nicht alle Geheimnisse der uns umgebenden Planeten enträtselt hatte, sonst hätte Lewis uns nicht so phantasievolle und farbenprächtige Schilderungen von Mars und Venus liefern können. Elegant finde ich, wie sich der Autor im zweiten Band dezent als Ich-Erzähler in die Geschichte einflicht, ohne dabei wirklich zum Beteiligten zu werden. Und überraschend, dass Lewis im Vorwort zum Dritten Band einen Hinweis auf eine inhaltliche Überschneidung mit dem Werk Tolkiens gibt. 

Man könnte viel über diesen Roman schreiben. Lewis seziert das Weltdenken auf eine präzise und verstörende Weise. Für den Kolonialismus und das daraus resultierende Bedürfnis der „zivilisierten“ Welt, sich auch in den Weltraum auszudehnen, liefert Lewis eine frappierende Erklärung: „Ein Traum, hervorgegangen aus dem Hass auf den Tod und der Furcht vor der wahren Unsterblichkeit“.

Ich habe schon viele Geschichten über dystopische Gesellschaften gelesen. Aber hier wird das Entstehen einer Dystopie sozusagen von innen beschrieben - das ist beängstigend. Und für die damalige Zeit durchaus weitblickend. Wer schrieb damals schon über Umweltsünden? Eine der vielen Stärken, die dieses Buch hat. 

Der Schreiber Lewis hat ein ganz feines Gespür für Kommunikation und innere Vorgänge. Und - viel Lebenserfahrung. Mit einer Art barmherziger Unerbittlichkeit geht er mit seinen Charakteren ins Gericht, enthüllt gnadenlos ihre menschlichen Abgründe, ohne sie aber jemals fallenzulassen. Ich finde das grandios. Außerdem muss erwähnt werden, dass Lewis wahnsinnig gute Dialoge schreibt. 

Man findet zwischen den Seiten eine überwältigende Fülle von Lebensweisheit. Eingetrübt wird dieser positive Eindruck nur hin und wieder von unangenehmen Seitenhieben gegen die Frauenbewegung, was ich extrem schade finde. Ein wenig muss man hier sicherlich gegen Lewis als Kind seiner Zeit Gnade walten lassen, aber da sich diese Ungeschicktheiten im Verlauf des Werks wiederholen, ziehe ich trotz des überragenden Gesamteindrucks einen Stern von der Gesamtwertung ab. Auch hinter manche weltanschauliche Darlegung habe ich im Stillen für mich ein Fragezeichen gesetzt, aber das tue ich bei fast jedem Roman, und ein wenig Abweichung von der individuellen Lesermeinung muss man einem guten Autor schon zugestehen. Ansonsten halte ich es mit Paulus: „Prüft aber alles, und das Gute behaltet.“ (1. Thess. 5.21)

Kommentare

FIRIEL kommentierte am 23. August 2020 um 19:08

Zu dem Buch kann ich nichts sagen. Dass Lewis im Vorwort auf Tolkien hinweist, ist interessant - die beiden kannten sich ja und waren befreundet. Sie gehörten zur Gruppe der "Inklings" (wie übersetzt man das nur? Tintlinge?). Und sie haben miteinander über ihre Werke diskutiert.

Arbutus kommentierte am 23. August 2020 um 21:18

Oder „Tintenkleckser“ vielleicht ... Bei dem Verweis auf Tolkien geht es um das alte Land „Núminor“ oder „Númenor“, das bei Tolkien im „Silmarillion“ auftaucht.